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Es ist wie so oft. Ein paar Lobbyisten überlegen sich ein großes Infrastrukturprojekt. Sie suchen sich eine Region, die arm oder phantasielos genug ist, sich den Kram in den Vorgarten stellen zu lassen und ein paar Landes- und Bundespolitiker, die dringend mal wieder einen ordentlichen Spatenstich fürs Familienalbum brauchen. Und schon kann es losgehen.

Natürlich gibt es Widerstand in der betroffenen Region, aber der lässt sich mit Heilsversprechungen von Arbeit und Wohlstand leicht majorisieren. Und mancher Gegner wird ohnehin erst wach, wenn es zu spät ist. Nicht zuletzt auch deswegen, weil die Diskussion um ein paar nicht unwesentliche kritische Details einfach auf später verschoben wird.

Das hier in Rede stehende Infrastrukturprojekt heißt JadeWeserPort, das nicht unwesentliche Detail hört auf den schönen Namen Hinterlandanbindung. Während am Hafen bereits fleißig gebaggert wird, gibt es für die Ertüchtigung des Schienenweges von Wilhelmshaven nach Oldenburg noch nicht einmal ein Planfeststellungsverfahren.

Für die Hafenerbauer und -betreiber dürfte dieser Umstand nicht allzu schmerzlich sein. Die werden sich nämlich angesichts des völlig zusammen gebrochenen Containerverkehrs und der seitens Hamburg betriebenen Elbvertiefung schon freuen, wenn ab 2012 an ihrer Kaje überhaupt mal der eine oder andere Dampfer festmacht. Der resultierende Schienenverkehr kann vorerst auch über die bestehende Strecke abgewickelt werden.

Für die Anwohner der Bahntrasse hingegen kommt es dicke. Auch wenn nur ein Teil der prognostizierten 67 Güterzüge durch die engen Ortsdurchfahrten und die offene Landschaft rollen, wird es vor allem nachts richtig laut werden. Zwar rühmt sich die lokale Politprominenz, statt der schwachen und unterfinanzierten Lärmsanierungsmaßnahmen die Lärmvorsorgerichtlinien durchgesetzt zu haben. Doch wann diese Maßnahmen greifen, ist eher ungewiss. Und auch mit Lärmschutzwänden – da ist dem NWZ-Mann Koopmeiners zuzustimmen – wird nichts mehr so sein wie bisher.

Inzwischen formieren sich Bürgerinitiativen wie die BI Lärmschutz Varel. Doch die stehen mit ihren Forderungen weitgehend auf verlorenem Posten. Erfüllen ließen sich diese nämlich nur, wenn der Hafen vorerst gar nicht und auf absehbare Zeit nur sehr beschränkt in Betrieb genommen würde.

Wer am Dienstag bei der Podiumsdiskussion im Vareler Tivoli den Herren der Bahn genau zugehört hat, weiß, dass bis 2012 allenfalls der zweigleisige Ausbau realisiert sein wird. Das aber auch nur – darauf wiesen die Bahner mehrfach hin -, wenn alle an einem Strang ziehen. Das ist kaum zu erwarten. Selbst wenn der Bund die Mittel bereitstellt, Land und Kommunen sich konzentriert engagieren und die Bahn keinen ihrer üblichen Fehler macht, werden berechtigte Einwände unmittelbar betroffener Bürger die Planungen verzögern.

Für alle über die Zweigleisigkeit hinausgehenden Maßnahmen besteht seitens Hafenwirtschaft und Bahn wenig Zeitdruck. Die Elektrifizierung lohnt sich erst, wenn absehbar ist, dass die Strecke wirklich gut ausgelastet ist. Und Lärmschutz ist ohnehin nur ein lästiger Kostenfaktor. Dass an diesen Projekten mit Hochdruck gearbeitet wird, wäre mehr als überraschend.

Wie ernst die Bahn die Sorgen der Bürger nimmt, kann man übrigens auch daran erkennen, dass die Herren am Dienstag bereits vor Beginn der eigentlichen Diskussion das Weite suchten. Der letzte Zug nach Hannover musste noch erreicht werden.

Ärgerlich war aber auch das Verhalten der angetretenen Politprominenz. Hans-Werner Kammer (CDU) und @KarinEversMeyer (SPD) spielten sekundiert von @OlafLies die große Koalition der Beschwichtiger. Alle drei haben sich in der Vergangenheit als Vorkämpfer für das Hafenprojekt hervorgetan. Und – bewusst oder unbewusst – haben sie es versäumt die Diskussion um die Belastungen im Hinterland während der Planungen angemessen zu thematisieren und auf eine gleichzeitige Planfeststellung zu dringen.

Ehrliche Politik würde eingestehen, dass der nun unvermeidliche Lärm der von ihnen bewusst in Kauf genommene Preis für den vermeintlichen Wohlstand ist. Stattdessen schmückt man sich damit, das Schlimmste noch verhindert und Geld für hässliche Lärmschutzwände locker gemacht zu haben. Geld übrigens, das die Steuerzahler aufbringen müssen.

Ich bleibe dabei: Ein Fertigstellungstermin 2015 für die Gesamtmaßnahme Schienenweg ist realistisch bis ehrgeizig. Die Wette gilt. Ebenso wie eine weitere Wette gegen den Bürgermeister, dass die Strecke bis Ende 2012 nicht elektrifiziert ist.