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Jetzt also doch: Angie und Guido werden unser Land regieren. Das haben die Bürger in fairen und freien Wahlen so entschieden. Für die nächsten vier Jahre müssen wir uns damit arrangieren.

Und nun?

Im Gegensatz zu vielen Sozialdemokraten und manchem Grünen glaube ich nicht, dass die kommende Legislatur eine fortgesetzte Katastrophe wird. Einiges könnte sogar besser werden.

In der Gesundheitspolitik etwa, wo CDU und SPD  zwei taugliche Konzepte so lange verrührt haben bis nur noch Gesundheitsfond übrig war. Oder in der Steuerpolitik, wo die FDP hoffentlich für radikale Entrümpelung und die CDU wahrscheinlich weiterhin – für mehr oder weniger?! – sozialen Ausgleich sorgen wird.

Sollte zudem Sabine Leutheuser-Schnarrenberger tatsächlich das Justizressort übernehmen, ist das gegenüber dem Status Quo ein Fortschritt. Natürlich ist fraglich, ob bestehende Freiheitsbeschränkungen wie die Netzsperren oder die Vorratsdatensicherung aufgehoben werden können. Die Schäubles in der CDU werden jedoch einen deutlich schwereren Stand als unter Brigitte Zypries haben.

Außerdem freue ich mich auf Westerwelle im Außenamt. Zu sagen hat er da sowieso nicht viel. Denn den Job macht Angie bekanntlich selbst ganz gerne. Erst recht angesichts Guidos beschränkter Kompetenzen. Lustig wird jedoch, das Wehklagen aus der bayrischen Provinz zu vernehmen, wenn Guido mit seinem First Gentlemen auf Auslandsreise geht. Ein besseren Botschafter für schwule Normalität kann man sich kaum wünschen.

Um andere Politikfelder muss man sich allerdings wirklich sorgen machen.

Die Verlängerung der Laufzeiten auch der ältesten Atomreaktoren ist wahrscheinlich. Das ist nicht gut, könnte jedoch gleichzeitig Planung und Bau neuer Kohlekraftwerke ausbremsen. Leider aber auch den Ausbau regenerativer Energiequellen.

Ebenso dürfte der auch unter der großen Koalition kaum gebremste Straßenbau weiteren Vorschub bekommen. Die überflüssige und für unsere Region schädliche A22 wird also wieder wahrscheinlicher.

Auch in der Bildungspolitik ist allenfalls Stillstand zu erwarten. Wenn die FDP Steuersenkungen durchsetzt, werden die ohnehin knappen Mittel der Länder kaum für Mehrausgaben für bessere Bildung ausreichen. Und die CDU wird sich mit allen Mitteln an die vierjährige Grundschule und das gegliederte Schulsystem klammern.

In der Gesamtschau werden sich einige mir persönlich wichtige Themen in den nächsten vier Jahren in die falsche Richtung entwickeln. Aber immerhin wird es wieder eine Richtung geben. Nach vier Jahren großem Geschwurbel schon fast ein Wert an sich.

Vier Jahre also. Und welche Perspektiven gibt es für danach?

Die Sozialdemokratie ist am Ende. Mag sein, dass sich die SPD irgendwann neu sortiert hat. Doch ob vier Jahre dafür reichen? Dass jetzt ausgerechnet der längst abgemeldete gewichtige Sigmar als Heilsbringer aufs Schild gehoben wird, lässt jede Hoffnung auf schnelle Regeneration schwinden. Da scheint es schon realistischer, dass sich die populistische Linke auch im Westen zu einer ernst zu nehmenden Partei mausert.

Ich kann mir deshalb nur schwer vorstellen, dass mit rot-rot-grünen Bündnissen in den nächsten Jahren zukunftsfähige Politik möglich sein soll. Ebenso schwer ist vorstellbar, dass SPD und FDP in einer Ampel-Koalition zueinander finden. Liegen doch die Positionen bei den für beide Parteien wichtigen Wirtschaftsfragen denkbar weit auseinander.

Die Grünen sollten daher jetzt in der Opposition deutlich zu machen, was unter ihrer Beteiligung anders laufen könnte. Mit Jamaika würde am Atomausstieg nicht gerüttelt, Verkehrsinvestitionen könnten in Richtung Schiene gelenkt werden und im Bildungsbereich könnten Grüne, FDP und Fortschrittliche in der CDU, den Strukturkonservativen ein paar Zähne ziehen. Auch über eine grundlegende Steuerreform wäre wohl zu reden. Natürlich unter etwas anderen Vorzeichen.

Das aus meiner Sicht beste einigermaßen realistische Ergebnis für die Wahl in vier Jahren, wäre die Möglichkeit einer schwarz-grünen Mehrheit ohne die FDP. Wahrscheinlicher ist, dass man sich auf Jamaika wird einlassen müssen. Viele Grüne werden dazu so manche Kröten schlucken müssen. Die Diskussionen darum werden hart, wie erste Reaktionen auf die Jamaika-Entscheidung im Saarland zeigen. Doch mir erscheint das allemal besser, als eine Zusammenarbeit mit dem roten Lager.

Weitere Positionen zum Wahlausgang, die ich für bedenkenswert halte, finden sich im Altonablog, bei Wolfgang und – mal was ganz Exotisches – beim Kanzlerbiographen Volker Resing in den Westfälischen Nachrichten.

Vorsicht: Volker wählt möglicherweise CDU und darf sich dennoch als mein bester Freund schätzen ;-)