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Der Pottblogger Jens Matheuszik, Lukas Heinser sowie weitere Blogger sind eingeladen, den Erfurter Parteitag der Grünen im November medial zu begleiten. Die Grünen hatten dazu aufgerufen, sich um diesen „Job“ zu bewerben. Um auch nichtkommerziellen Bloggern den Ausflug nach Thüringen schmackhaft zu machen, zahlen die Grünen den fünf ausgewählten Bloggern Bahnreise und Unterkunft.

Der Ruhrbaron David Schraven ist darüber alles andere als begeistert. Für ihn stellt die Einladung der Grünen einen Sündenfall in Sachen Schleichwerbung dar. Den Bloggern stellt er die Frage, warum sie sich auf so einen Verstoß gegen journalistische Standards einlassen.

Der Beitrag wird inzwischen verbissen und nach meinem Eindruck wenig zielführend diskutiert. Mal schauen, ob ich das Durcheinander perfekt machen kann.

Ich glaube über eines kann mit allen, die sich bislang eingebracht haben, Konsens erzielt werden: Im Kern geht es darum, dass wir uns Medien wünschen, die über (uns) Wichtiges wahrhaftig informieren. Dabei ist eine uns genehme gewisse subjektive Tendenz nicht unbedingt schädlich.

Doch wie entscheiden wir, ob ein Medium diese Anforderung erfüllt? Wie entscheiden wir, ob wir einem Medium vertrauen?

Früher war das vergleichsweise einfach. Die Tagesschau verbreitet sowieso nur die Wahrheit. Und wer den Papa regelmäßig zum Frühstück die WAZ hat lesen sehen, der wird – so er denn seinen Vater schätzt – ein gewisses Grundvertrauen in die Medienmarke WAZ entwickelt haben. Um ein solches Vertrauen nachhaltig zu erschüttern, muss schon eine ganze Menge passieren.

Bis vor ein paar Jahren ist jedoch nicht allzu viel passiert. Das Fernsehen war öffentlich-rechtlich, fast alle Zeitungsverlage waren in der Hand von Familien, die ihren Idealen mehr verpflichtet waren als dem Profit. Das sorgte für eine zumindest akzeptable Qualität vor allem aber für Kontinuität.

Inzwischen sind die Dinge ein wenig komplizierter geworden. Das private Fernsehen hat seine eigene immer etwas buntere und auch etwas bequemere Wahrheit, Ideale sind unter Verlegererben deutlich weniger ausgeprägt – viele haben ihr Erbe auch einfach verkauft – und dann ist da ja noch dieses Internetz, in das ja neuerdings jeder einfach so reinscheiben kann, was er will.

Wem also kann, wem sollte man heute noch Vertrauen?

Die guten alten Medienmarken hatten eine durchaus gute Ausgangsposition. Doch zum einen tun die sich überwiegend schwer, der neuen Geschwindigkeit gerecht zu werden, zum anderen bekommt das Vertrauen in sie Risse.

Wer die Inhalte seines Mediums – und sei es nur sporadisch – mit den nun überall kostenlos verfügbaren Alternativen abgleicht, wird sich irgendwann die Frage stellen, wer denn nun recht hat. Wenn dann auch noch heraus kommt, dass man es im Medienhaus der Wahl mit den journalistischen Grundsätzen nicht ganz so genau nimmt, ist das Vertrauen schnell perdu.

Medienmarken tun also gut daran, den journalitischen Mitarbeitern strenge Vorschriften zu machen, was etwa die Annahme von Vorteilen angeht. Und seien es auch nur Reisekosten.

Strenge Vorschriften für jeden Mitarbeiter sind für Medienmarken vor allem auch deshalb so wichtig, weil das Vertrauen sich typischerweise nicht auf Einzelpersonen gründet. Vielmehr produziert ein großes Team ein gemeinsames Produkt, dass von einer weitgehend anonymen Gruppe von Rezipienten genutzt wird. Es reicht völlig, wenn einzelne Mitarbeiter sich regelmäßig Patzer leisten, um das Vertrauen in das ganze Produkt zu erschüttern.

Bei Bloggern* ist die Situation eine andere. Hinter Blogs wie dem Pottblog oder Coffee and TV stehen Einzelpersonen oder kleine Teams, die vor allem aus Leidenschaft schreiben. Einer Leidenschaft für das Schreiben an sich, für ein Hobby, für Politik. Geld verdient wird mit solchen Blogs kaum und wenn doch, wird dies (hoffentlich) kommuniziert.

Die Person, die hinter einem Blog steht, ist – entgegen dem verbreiteten Vorurteil der Anonymität – meist mehr als gut erkennbar. Wer wissen will, wer Jens oder Lukas eigentlich sind, was sie antreibt, in welchen Abhängigkeiten sie stehen, der findet auf diese Fragen ohne große Mühe umfassend Auskunft.

Die regelmäßige Leserschaft von Jens, Lukas und anderen Bloggern hat sich aufgrund oder trotz dieser Informationen entschieden, ihren Blogs Vertrauen zu schenken. Ein Vertrauen, das durchaus differenziert sein kann. Jens zu lesen, ohne im Hinterkopf zu haben, dass er ein in der Wolle gefärbter Sozialdemokrat ist, wäre mehr als naiv.

Die Tatsache, dass sich Blogger Anreise und Unterkunft zum Parteitag der Grünen von der Partei bezahlen lassen, ist hingegen weitgehend nebensächlich. Zumal, wenn es wie hier von allen Seiten von Anfang an transparent dargestellt wird. Den Bloglesern ist klar, dass sie nur so in den Genuss kommen, den Parteitag durch die Brille ihres Bloggers zu erleben. Und das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Person dürfte sich durch das reine Ermöglichen der Reise kaum schaden nehmen. Alternativ bliebe ja immer noch, die Texte vom Parteitag mit der entsprechenden Vorsicht zu genießen.

Für mich folgt aus den obigen Überlegungen, dass wir es mit der Übernahme von Regeln, die im klassischen Medienbetrieb gut und wichtig sind, nicht zu leicht machen dürfen. Blogger sind eben nicht unbedingt Journalisten.

Es gibt übrigens einen Aspekt im Konstrukt der Grünen, den David Schraven gar nicht anspricht, der mir aber tatsächlich Kopfzerbrechen bereitet. Ich meine die Übernahme der Inhalte auf der Homepage der Grünen. Es spricht sich nichts dagegen, dort auf die eingeladenen Blogs hinzuweisen und meinetwegen die Headlines zu übernehmen. Die eigentlich Beiträge sind dort aber völlig deplatziert, da sie völlig aus dem Kontext des Blogs herausgerissen. Wie sollen die Leser so beurteilen können, welche Bedeutung sie dem Text zumessen können? Und mir als Blogger wäre gar nicht wohl, so die Hoheit über meine Texte abzugeben.