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In Sachen Internet bin ich bei meinem Landkreis ja durchaus kritisch. Das ausgerechnet wir die ersten sein mussten, die aus Datenschutzgründen bei Facebook aussteigen, hat mich wirklich sehr geärgert.

Jetzt könnte der Landkreis Friesland einmal mehr erster sein. Diesmal mit einer (hoffentlich) positiven Entwicklung. Mit der Vorlage 0097/2012 wird die Einführung von Liquid Feedback vorbereitet. Bekannt ist dieses Instrument der Online-Bürgerbeteiligung bislang vor allem als „(Teil-)Betriebssystem“ der Piratenpartei.

Mein erste Reaktion schwankte zwischen freudigem Entsetzen und skeptischer Begeisterung. Mein Landkreis als Innovator in Sachen Internet?! Aber wie soll das funktionieren? Nach ersten Gesprächen mit den Beteiligten bin ich jedoch mehr als optimistisch. Die Entscheidung für die Einführung scheint wohl überlegt und wird ernsthaft ohne übertriebene Eile vorangebracht.

Bei Liquid Feedback handelt es sich um ein Open Source Projekt, das allgemein anerkannt viele Nachteile bestehender Online-Bürgerbeteiligungssysteme vermeidet. Auf eine Moderation wird verzichtet. Damit ist die Gefahr einer als einseitig empfundenen Einflussnahme seitens des Landkreises weitgehend gebannt. Gleichzeitig sind Mechanismen eingebaut, die nicht konstruktive Beiträge erschwert.

Einzigartig ist zudem das System der Delegation. So könnte ich etwa meine Stimme für Umweltschutzthemen an fachkompetentere Personen übertragen und andere mir wiederum ihre Stimmen zum Themen Schulen anvertrauen.

Der Landkreis hat sich zudem vorgenommen, für eine direkte Kopplung der Gremienarbeit mit Liquid Feedback zu sorgen. Zwar bleibt schon aus rechtlichen Gründen die letzte Entscheidung dem Kreisausschuss bzw. Kreistag überlassen. Die Abgeordneten müssten sich aber ggf. im vollen Wissen um eine andere Stimmung der Bürger über deren Votum hinwegsetzen.

Zur Einführung von Liquid Feedback ist ein Beschluss des Kreistages erforderlich. Zu dessen Vorbereitung lädt der Landkreis zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung am 16. Mai 2012, 17.30 Uhr in den Graf-Anton-Günther-Saal, Jever, Am Kirchplatz 10 ein.

Ob Liquid Feedback am Ende wirklich funktionieren wird, darf durchaus mit Spannung abgewartet werden. Ich fürchte vor allem das insgesamt geringe Interesse an konstruktiver Beteiligung an politischen Prozessen. Begleitende Qualifizierungsangebote und intensive Medienkooperation ist daher unerlässlich.

Doch mit ein wenig Mut und Offenheit gibt es vielleicht ein Chance auf einen kleinen Erfolg, der sich nach einem Jahr Testphase nachweisen lässt. Derweil dürfen auf jeden Fall auf einen Platz in den nationalen Medien als innovative  Region im Nordwesten hoffen. Ich werden meinen kleinen Teil dazu gerne beitragen.

Hinweis: Einen kleinen Bericht zur Einführungsveranstaltung gibt es im Varelblog.