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Die verehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, eine ausgebildete Physikerin, hat jüngst bei der Ankündigung des Atomausstiegs, den sie nun für den Ihren hält, zum wiederholten male ausgeführt, eine Katastrophe wie die von Fukushima habe sie sich nicht vorstellen können. Ihr dient diese Aussage, um offiziell zu begründen, warum sie vor Fukushima von dem gesicherten Pfad des rot-grünen Atomkonsenses zu Gunsten der Atomwirtschaft abgewichen ist und nur wenige Wochen später – nach Fukushima – plötzlich einen vermeintlich radikalen Atomausstieg wagen will.

Mich enttäuscht der Sinneswandel der Kanzlerin zutiefst.

Wenn es stimmt, dass Merkel sich einen Unfall, wie den von Fukishima nicht vorstellen konnte, dann ist sie eine schlechte Physikerin. Der Unfall von Fukishima ist ein ganz normaler Super-GAU, dessen Eintreten zwar je nach Einstellung der Randbedingungen rechnerisch nicht sehr wahrscheinlich war. Dass er so oder anders katastrophal irgendwann eintreten könnte, hat jedoch kein ernst zu nehmender Experte – auch nicht die Atomwirtschaft – jemals bestritten. Auch nicht für Deutschland. Gerade Physiker sind so ausgebildet, das sie eine ziemlich genaue Vorstellung solcher Risiken haben.

Gäbe Merkel andererseits nur vor, sie habe sich Fukishima nicht vorstellen können, wäre die Schlussfolgerung nicht eben angenehmer. Denn dann hätte sie in vollem Bewusstsein der Risiken für eine massive Verzögerung des Atomausstiegs gearbeitet. Vermutlich wohl wissend, dass der überwiegende Teil ihrer Wähler diese Risiken nicht würde tragen wollen, wenn sie ihnen – wie ihr, der Physikerin – nur wirklich bewusst gewesen wären.

Wir werden also von einer schlechten Physikerin regiert. Oder von einer Kanzlerin, die uns bewusst Risiken zumutet, die eine Mehrheit der Menschen nicht tragen wollen. Wollen wir das wirklich?

Eine dritte Erklärung für Merkels Atomkurs wäre übrigens eine rein (macht-)politische. Merkel ist gerne Kanzlerin. Um vor Fukishima mit dem Wirtschaftsflügel ihrer Partei und der FDP Kanzlerin bleiben zu können, musste sie die Laufzeiten verlängern. Und jetzt gilt es eben, den Höhenflug der GRÜNEN zu stoppen. Was sie sich insgeheim vorstellen kann oder für wirklich richtig hält, ist da eher nachrangig.

In sofern fürchte ich mich überhaupt nicht vor der Abschaltung. Wer nachhaltig aus der Atomkraft aussteigen will, muss GRÜN wählen. Merkel wird jederzeit bereit sein, auch den jetzt beschlossenen Ausstieg wieder zu verzögern, wenn es ihr zum Machterhalt nützt oder nicht schadet. Das kann man nebenbei schon jetzt gut erkennen. Etwa daran, einen Reaktor als Kaltreserve zu behalten – technisch ein Witz, aber politisch ein guter Trigger für die Reaktivierung der Alt-Meiler -, oder daran, die Reststrommengen so zu übertragen, dass die neueren Reaktoren bis 2011 auf Volllast durchlaufen können.