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Schulpolitik wird hier im Blog mehr und mehr zum vorherrschenden Thema. Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass Schule das nächste Jahrzehnt für meine Kinder und damit für mich ganz wesentlich prägen wird. Da ich lieber gestalte als erleide habe ich mich zum (Stadt-)Elternratsvorsitzenden wählen lassen und bringe mich aktiv in die lokale und niedersächsische Schulpolitik ein.

Zum anderen bietet die niedersächsische Schulpolitik ein so desolates Bild, dass man sich ihrer einfach annehmen muss. Im folgenden Text werfe ich einen Blick auf die Probleme des kommenden Schuljahres und biete einen Ausweg an, der nicht zuletzt von meinem Erfahrungen mit erfolgreichen Kommuniationsprinzipien im Internet geprägt ist.

Das kommende Schuljahr 2009/2010 wird grausam. Zumindest in Niedersachsen. Das Ausmaß der Unterrichtsausfälle vor allem an den Gymnasien war schon im laufenden Schuljahr dramatisch. Und wer die Zeichen aus den Schulen und aus der Schulbehörde richtig zu deuten weiß, dem muss klar sein, dass sich die Situation weiter verschärfen wird.

Die Gründe für die Situation sind vielfältig. Zu Beginn der 70iger Jahre mussten massenhaft Lehrer eingestellt werden, die nun innerhalb weniger Jahre aus dem Schuldienst ausscheiden. Dass dieses zum Problem werde würde, darauf weisen spätestens seit Mitte der 80er Jahr immer mal wieder besonnene Rechner hin. Reagiert hat die Schulpolitik nicht.

Statt rechtzeitig zu beginnen, die Kollegien zu verjüngen – was auch unter pädagogischen Gesichtspunkten richtig gewesen wäre -, wurde lieber abgewartet.

Während der Regierungszeit Schröder/Gabriel drohte die Situation erstmals zu eskalieren. Statt nachhaltiger Lösungen entschied man sich für ein Mittel, dass die heutige Lage noch weiter verschärft hat. Alle Lehrkräfte unter 50 sollten 10 Jahre lang ein wenig mehr arbeiten und die dann gut gefüllten Arbeitszeitkonten anschließend abfeiern dürfen.

Dass dies in eine Katastrophe führen musste, war allen Eingeweihten von Anfang an klar. Die Regierung Wulff ist dennoch erst aufgewacht, als es zu spät war. Die Idee, den Ausgleich der Arbeitszeitkonten vorerst auszusetzen, ist nicht nur am berechtigten Widerstand der Betroffenen gescheitert. Sie hat auch das letzte bisschen Vertrauen der Lehrerinnen und Lehrer in das Land als fürsorglichen Arbeitgeber zunichte gemacht.

Um die Katastrophe abzuwenden, benötigt das Land nun kurzfristig mindestens 1.500, wahrscheinlich eher 3.000 zusätzliche Lehrer.

Doch selbst wenn die Landesregierung bereit wäre, diese Lehrer einzustellen – sie ist es nicht -, würde das wenig nützen. Denn eigentlich will kaum jemand ernsthaft Lehrer werden. Wen wundert das, angesichts von Dienstherren, die Lehrer „faule Säcke“ (Schröder) heißen, Absprachen nicht einhalten (Heister-Neumann) oder per Machtwort jede Kritik abbügeln (Wulff)? Wer sich dennoch für den Lehrerberuf entscheidet, wird von allenfalls verschlimmbesserten Ausbildungsgängen ausgebremst und bekommt vor allem bei naturwissenschaftlichen Fächern regelmäßig attraktive Angebote aus der Industrie.

Für eine nachhaltige Lösung braucht es Dreierlei:

  • Die seit Jahrzehnten überfällige Erkenntnis, dass gute Schulen mehr Geld kosten als der Finanzminister bereit ist herzugeben. Da brauchen wir ein Machtwort, verehrter Herr Wulff.
  • Ein Einsehen darin, dass Lehrer einen immer komplexeren und belastenderen Beruf haben, der angemessen bezahlt werden muss. Wichtiger noch als das liebe Geld jedoch ist eine Entlastung bei der Unterrichtsverpflichtung. Lehrer brauchen mehr Zeit für Vorbereitung, Austausch mit Kollegen und soziale Arbeit.
  • Und natürlich braucht es Zeit, den Lehrerberuf attraktiver zu machen, die Ausbildungsgänge zu reformieren und junge Lehrer in Ruhe auszubilden.

Für die Probleme des kommenden Jahres nutzen diese Ansätze kaum. Das nächste Jahr wird nur zu schaffen sein, wenn alle an einem Strang ziehen. Lehrer, Eltern und Schüler, Politik und Schulbehörde.

Lehrer müssten freiwillig mehr arbeiten, Eltern Unterrichtsausfall akzeptieren und Schüler müssen sich besonders anstrengen, um sich den nicht erteilten Stoff selbst zu erarbeiten.

Das alles wäre eine bittere Pille. Doch die wäre zu verdauen, wenn Aussicht auf ernsthafte Besserung besteht. Eine Aussicht, die sich seitens Politik und Schulbehörde vielleicht vermitteln ließe.

Dazu brauchen wir vor allem eine neue Basis des Vertrauens. Diese zu schaffen, beginnt mit einer schonungslosen Offenheit. Mit einem Bekenntnis, dass man im Land in den letzten Jahren zwar einiges bewegt, in Sachen Schulpolitik aber vollkommen versagt hat.

Dann müssen alle Fakten auf den Tisch. Die geschönten Zahlen und die Durchhalteparolen aus dem Ministerium nimmt ohnehin schon lange niemand mehr ernst. Auch das seit Jahrzehnten wiedergekäute Mantra von einer baldigen Besserung wegen sinkender Schülerzahlen will niemand mehr hören.

Weiterhin gilt es, sofort mit jedem Herumgemurkse am Schulsystem innezuhalten. Reformen binden nur zusätzliche Ressourcen und stiften immer neuen Unfrieden. Das aktuelle System ist nicht gut, aber es funktioniert zumindest leidlich.

Schließlich müsste Minister Möllring einen Nachtragshaushalt vorlegen, der deutliche Zuwächse in der Mittelfristigen Finanzplanung im Kultushaushalt festschreibt. Woher das Geld kommen soll? Keine Ahnung. Aber ich bin überzeugt, dass die Rettung des Bildungssystems mindestens ebenso wichtig ist, wie die Rettung des Bankensystems oder der Automobilindustrie. Billiger ist sie allemal.

Zu rechnen ist mit alledem leider nicht. Fehler einzugestehen ist keine Stärke von Politikern. Der Streit ums richtige Schulsystem ist ein vermeintlicher Wahlkampfschlager und Geld in Köpfe statt in Beton zu investieren, hört man allenfalls als Lippenbekenntnis.

Das nächste Schuljahr wird also grausam. CDU und FDP wird das hoffentlich dramatisch zusetzen. Und Wulff wird sich von Merkel nach der Bundestagswahl hoffentlich fragen lassen müssen, wieso sie sich weiter mit einem Vizekanzler Steinmeier herumschlagen muss.