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Ich war am Wochenende in Berlin. Wie so oft auf einer zweinulligen Veranstaltung. Aber zum ersten mal auf dem mittlerweile auch schon vier Jahre alten Politcamp. Und zum ersten Mal in meiner Funktion als ehrenamtlicher LiquidFriesland-Beauftragter.

Mit dem Politcamp hat es sich der gleichnamige Verein zur Aufgabe gemacht, den etablierten Politikbetrieb mit netzpolitischen Vordenkern zusammenzubringen. Ein Experiment das gelingt: Die Bandbreite reichte vom Bildungsminister des Saarlands Ulrich Commerçon über Mandatsträger aller Parteien und Parlamentsebenen bis hin zu netzpolitisch engagierten Jugendlichen. Die Justizministerin stellte sich der Diskussion in der Fishbowl und ließ sich anschließend von ihrem Vizekanzler abholen.

Der Anteil der Piraten beim Politcamp ist im Übrigen niedriger als mancher vermuten würde. Aber natürlich waren viele Piraten da. Und wo Piraten sind, wird natürlich über LiquidFeedback gesprochen. Eine gute Gelegenheit, den Friesennerd zu geben und über unser Beiteiligungs-Experiment mit der Piratensoftware zu sprechen.

Auf Einladung von Jörg Blumtritt kam es so zu einer Doppelsession am Sonnabend. Zunächst ging es mit Jörg unterstützt von Sebastian Jabbusch und Jenny Louise Becker um LiquidFeedback bzw. Liquid Democracy bei den Piraten.

Eine spannende und kontroverse Session. Die unmittelbar charmante Idee der Liquid Democracy hat auf den zweiten Blick durchaus ihre Tücken. Innerhalb der Piraten ist vor allem der Klarnamenzwang umstritten. Schließlich gilt das Recht auf Anonymität als eines ihrer Kernthemen.

Jörg Blumtritt und Djure Meinen.

Andererseits gibt es bislang nicht einmal theoretisch eine Lösung, wie man Abstimmungen online so organisiert, dass sie einerseits anonym und gleichzeitig legitim sind.Von Nicht-Piraten wurde die Frage aufgeworfen, ob Liquid Democracy überhaupt als Ersatz für bekannte demokratische Prozesse womöglich gar auf Bundesebene taugt.

Die Diskussion darüber darüber hat zumindest ergeben, dass auch unter Piraten kaum jemand glaubt, dass Parlemente irgendwann gänzlich überflüssig wären. Der Legislative obliegt nämlich neben der Entscheidungsfindung auch die Kontrolle der Exekutive. Nach reichlich Theorie konnte ich dann in der anschließenden Session friesische Praxis bieten. Das Projekt LiquidFriesland trifft auf reges Interesse besonders auch von Teilnehmern aus der kommunalen Praxis. Spürbar ist der Wunsch, dass unser Experiment erfolgreich verläuft und endlich ein Schritt in Richtung tragfähiger Bürgerbeteiligung gelingt. In mindestens zwei niedersächsischen Landkreisen gäbe es dankbare Epigonen.

Kritisch diskutiert wurden vor allem zwei Fragen. Zum einen muss der Kreis der Beteiligten so breit wie möglich aufgestellt werden. Durch gute Öffentlichkeitsarbeit und noch mehr durch Bildungsangebote sollten Bürger aller gesellschaftlichen Schichten und Generationen für LiquidFriesland begeistert werden.

Zum zweiten gilt es sehr klar zu kommunizieren, welchen Stellenwert die Entscheidungen in LiquidFriesland haben. Durch die Behandlung der Initiativen auf Basis der Kommunalverfassung haben sie zwar eine verbindlich rechtliche Stellung. Aber eben (nur) als Anregung. Abschließend entscheiden müssen aber Ausschüsse und Kreistag. Die Bürger dürfen darüber nicht im Unklaren gelassen werden, um eine Enttäuschungen zu vermeiden.

Und abschließend noch ein paar Links zum Thema: