Über fünf Stunden dauerte die gestrige Sitzung des Vareler Stadtrates, aus der ich leider nicht live berichten konnte. Die Aula der HRS Arngaster Straße scheint perfekt gegen jedwede Strahlung von T-Mobile abgeschirmt zu sein.
Abgesehen von einer intensiven Debatte am Anfang der Sitzung, in der noch einmal die unterschiedlichen Auffassungen zur Legitmität der bevorstehenden Abwahl von Karl-Heinz Funke ausgetauscht wurden und in der die Rumpf-SPD meiner Auffassung nach kein gutes Bild abgegeben hat, wurde im Wesentlichen gewählt.
In die Länge gezogen wurde das Procedere dadurch, dass fast alle Wahlen geheim durchzuführen waren. Bei 37 Ratsmitgliedern bedeutet dies für jeden Wahlgang einen Zeitaufwand von 10 bis 15 Minuten.
Zusammengefasst hat der Abend gezeigt, dass die neue Jamaika-Gruppe ihre Ziele auch ohne eigene Mehrheit erstmal ohne größere Probleme durchsetzen kann. Funke wurde mit großer Mehrheit aus dem Amt des Ratsvorsitzenden und des ersten stellvertretenden Bürgermeisters abgewählt. Diese Positionen sowie die diversen Stellvertreter wurden so neu besetzt, dass nun alle ParteienGruppen im Rat vertreten sind.
Selbst die Rumpf-SPD wurde geschickt eingebunden, indem Jamaika den Antrag auf Abwahl der stellvertretenden Ratsvorsitzenden Hannelore Schneider einfach abgelehnt hat. Ein sehr geschickter Schachzug, da sie sich so einer Wiederwahl erst gar nicht nicht entziehen könnte.
Auch die Reduktion der Zahl der Ausschüsse von 12 auf 8 und eine einheitliche Besetzung der Ausschüsse mit 10 Mitgliedern wurde nur von der Rumpf-SPD angelehnt. Die Rumpf-SPD hätte es lieber gesehen, alle Ausschüsse mit 11 Personen zu besetzen, was wenig verwundert, denn der 11. Sitz wäre jeweils ihr zugefallen.
Neuer Ratsvorsitzender ist nun Karlheinz Bäker (CDU). Er kennt dieses Amt, denn der CDU-Karlheinz ist nicht nur Nachfolger sondern war vor 28 Jahren als damals noch ehrenamtlicher Bürgermeister auch der Vorgänger, des seit dem ununterbrochen amtierenden SPD-Karl-Heinz. Als Stellvertreterin im Amt geblieben ist Hannelore Schneider (SPD), zum weiteren Stellvertreter wurde Jörn Kickler (MMW) gewählt.
Die beiden nun gleichberechtigten stellvertretenden Bürgermeister heißen künftig Bernd Köhler (Soziale Demokraten Varel, SDV) und Peter Nieraad (FDPCDU).
Weitere interessante Einblicke in den Verlauf der Ratssitzung finden sich übrigens schon beim Friesländer Boten.
Zu reden wäre nun noch über das mehrwürdige Verständnis von repräsentativer Demokratie und das Gerede um den unäglichen Wählerwillen seitens der SPD. Und über den von Funke angekündigten weniger neutralen Stil, den er sich nun als als einfaches Ratsmitglied erlauben will. Aber dafür ist auch noch Zeit, wenn die Sonne wieder scheint.
Was für ein Paukenschlag.
Nachdem bundesweit die FDP der SPD den Rang einer Volkspartei abzulaufen scheint, ist wohl auch im SPD-Stammhaus Varel die Zeit gekommen – gibts eigentlich auf für Parteien eine Abwrackprämie?
Die Vareler Genossen mussten zusehen, wie ihr einst schillerndes Zugpferd zuerst demontiert und dann nochmal abgewatscht wurde. Warum man es überhaupt hat drauf ankommen lassen, mag dem Beobachter nicht so recht einleuchten. Besser, viel besser wäre es doch gewesen, einige der Führungskräfte wären der öffentlichen Demontage zuvorgekommen und hätten ihre Posten für Nachfolger bereit gestellt.
„Irgendwann ist es Zeit für einen Wechsel, und auch die nächste Generation muss nun zeigen, was sie kann,“ hätte ein guter Abgang sein können. Das wäre politische Größe gewesen – so hat man nun auf die alten Tage auch in der Provinz sein Gesicht verloren. Schade, aber das passiert eben in der Politik immer wieder.
Bekanntlich soll man doch aufhören, wenn es am schönsten ist. Aber dieses Zeitunkt zu erkennen, das liegt denen, die an der Macht sind, offenbar nicht.
Tja, meine Wörters. Die SPD hätte munter weiter machen können, wenn Funke sich aus dem Rat zurückgezogen hätte. Aber das ist wohl nicht sein Stil.
Auch in dem aktuellen Friebo-Interview macht Funke keine gute Figur. Könnte man locker als Altersstarrsinn verschlagworten. Schade.