Nachdem ich mich gestern schon in genereller Form und eher satirisch mit den aktuellen schulpolitischen Vorhaben der Landesregierung beschäftigt habe, möchte ich noch kurz auf die 13(!)Â Maßnahmen Sicherung der Unterrichtsversorgung eingehen:
1. Es stehen 250 zusätzliche Stellen aus dem Haushalt 2009 zur Verfügung.
2. Durch den Nachtragshaushalt 2009 können 250 zusätzliche Lehrkräfte eingestellt werden.
Seien wir ehrlich. Mehr Stellen werden sich – obwohl dringend geboten – ohnehin nicht besetzten lassen. Der Markt für qualifizierte Kräfte ist weitgehend leer gefegt und gut ausgebildete Seiteneinsteiger fallen auch nicht vom Himmel.
Dennoch sei einmal darauf hingewiesen: Personalplanung für Lehrkräfte ist eine Aufgabe, die jeder mittelmäßige Ökonom schon im Grundstudium in den Griff bekommen sollte. Sechs Jahre Planungsvorlauf, das sind einfach traumhafte Bedingungen. Es ist also völlig unverständlich, dass es ausgerechnet hier immer wieder zu so katastrophalen Fehlern kommt.
3. Wir stellen 240 Referendare zusätzlich an den Studienseminaren für das gymnasiale Lehramt zum 01.08.2009 ein.
Das hört sich gut an. Aber was hat das mit Unterrichtsversorgung zu tun? Die Referendare sollen doch bitteschön ausgebildet werden. Den von ihnen zu leistenden eigenverantwortlichen Unterricht auf die Unterrichtsversorgung anzurechnen zeigt doch nur, dass der Landesregierung herzlich egal ist, wie diese Ausbildung verläuft. Hauptsache die Löcher werden irgendwie gestopft.
4. Die bereits als Tarifbeschäftigte eingestellten sowie alle neu einzustellenden Grundschullehrkräfte werden in den Beamtenstatus bei voller Arbeitszeit übernommen.
Tja, anders wären viele dieser Kräfte auch wohl nicht zu halten. In anderen Bundesländern wurden ähnliche Fehler gemacht wie in Niedersachsen und dort lock(t)en eben bessere Bedingungen.
Dabei hielte ich es für durchaus angebracht, Lehrkräfte nicht mehr grundsätzlich zu verbeamten. Solange das aber nicht nur eine schlechtere Absicherung, sondern auch eine eklatant schlechtere Bezahlung bedeutet, wird man damit keine qualifizierten Kräfte an den Lehrberuf binden. Umgekehrt könnte es funktionieren.
5. Feuerwehrlehrkräfte können bis zur vollen Stundenzahl eingestellt werden und erhalten in der Regel nach zwei Jahren statt nach drei Jahren der Tätigkeit ein Angebot auf dauerhafte Beschäftigung.
6. Die Weiterbeschäftigung von zur Pension anstehenden Lehrkräften wird flexibilisiert. Entsprechende Anträge von Lehrkräften mit Mangelfächern, die über die Regelaltersgrenze hinaus weiterarbeiten möchten, werden grundsätzlich für einen befristeten Zeitraum genehmigt werden.
Na, warum nicht gleich so? Mir ist aber nicht so ganz klar, warum die angehenden Pensionäre „Anträge“ stellen sollen. Wäre es nicht angezeigt, Ihnen attraktive „Angebote“ zu machen. Und zwar Angebote, die hinsichtlich Arbeitszeit und Bezahlung der freiwilligen Weiterbeschäftigung auch auf den zweiten Blick noch attraktiv sind? Für mich heißt das, dass zusätzlich zu den regulären Bezügen ein Aufgeld im deutlich zweistelligen Prozentbereich gezahlt werden muss.
(Hinweis: Mein Vater würde von solch einer Regelung eventuell profitieren. Ich persönlich eher nicht. Die Kinder freuen sich schon auf ihren Opa.)
7. Wenn einzelne Stellen nicht mehr mit geeigneten Bewerbern besetzt werden können, werden diese Stellen weiterhin mit Quereinsteigern und auch mit Hochschulabsolventen besetzt (Voraussetzung 1. Staatsexamen oder Master).
Entschuldigung. Aber das hört sich schwer nach Verzweiflung an.
8. Mehrarbeit von Referendaren über die Ausbildungsanforderungen hinaus wird zukünftig bis zu sechs Stunden gegen gesonderte Vergütung ermöglicht. Referendare, die Ihren Vorbereitungsdienst freiwillig vorzeitig zum 31.07.2009 erfolgreich beenden, können vorzeitig in den niedersächsischen Schuldienst bei voller Vergütung zum 01.08.2009 übernommen werden.
Ich hatte schon weiter oben darauf hingewiesen, dass Referendare sich in Ausbildung befinden und sich bitteschön darauf konzentrieren (können) sollen. Sie zu (noch) mehr eigenverantwortlichem Unterricht zu nötigen, kann weder im Sinne von guter Ausbildung noch im Sinne guten Unterrichts sein.
9. Schulen erhalten die Möglichkeit jährlich die Klassen neu zu bilden. So neu gebildete Klassen bestehen dann zwei Schuljahre. Damit können sie frühzeitig und flexibel auf sich ändernde Schülerzahlen reagieren.
Bitte was? Das kann ja wohl nur heißen, dass Schulen aufgefordert sind, wo es nur eben geht Klassen zusammenzulegen um Stunden einzusparen. Wann wird es endlich auch in den Köpfen von Politikern ankommen, dass in der Schule Economies of Scale kaum wirksam sind. Mehr denn je gilt es, Schüler individuell zu betreuen. Das geht naturgemäß in großen Klassen nicht.
10. Lehrkräfte, die zum 01.08.2009 in die Altersteilzeit gehen, können auf Antrag aus dem üblichen Teilzeitmodell in das Blockmodell wechseln. So wird sich bei diesem Personenkreis die Unterrichtszeit in den nächsten drei Jahren verdoppeln. Zusätzliche Kosten entstehen nicht.
Hmm. Ja. Okay. Bin aber gespannt, in welche neue Krise uns das treibt, wenn diejeniegen, die das Blockmodell wählen, in eine paar Jahren in die Ausgleichsphase gehen.
11. Für zwei Jahre wird es eine individuelle Prüfung der Anträge auf Teilzeit geben. Insbesondere bei Lehrkräften mit Mangelfächern an Gymnasien (gesetzliche Bestimmung) ist vor allem von den Schulen zu prüfen, ob die tatsächliche Unterrichtsversorgung als dienstliches Interesse der Genehmigung eines Antrages auf Teilzeit entgegensteht. Eine Verringerung der Arbeitszeit aus familiären und krankheitsbedingten Gründen bleibt vollkommen unangetastet.
Statt weiter ministerpräsidentiell zu drohen wird die Verantwortung also jetzt auf die den Umständen ausgelieferten Schulleitungen abgeschoben. In deren Haut möchte ich nicht stecken.
Ich könnte diese Maßnahme ja vielleicht mittragen, wenn die Landesregierung ihren Ton gegenüber den Lehrkräften mäßigen würde. Statt zu drohen, könnte man ja auch einfach mal eingestehen, dass man in den zurückliegenden Jahren richtig großen Mist gebaut hat. Verbunden mit belastbaren Zusagen, die Situation nachhaltig zu verbessern, könnte man vor einem viel besseren Hintergrund um „Nothilfe“ nachsuchen.
12. Wir wandeln die verbliebenen Vollen Halbtagsschulen (7 % aller Grundschulen) in Verlässliche Grundschulen um. Der grundsätzliche Systemwechsel hat bereits im Jahre 2004 stattgefunden. Mit der beabsichtigten Anpassung greifen wir die Beanstandungen des Landesrechnungshofes auf.
Der Punkt 12 der Liste ist der einzige, der mich und meine Kinder akut betrifft. Die Grundschule Büppel ist derzeit noch Volle Halbtagsschule. Die Volle Halbtagsschule ist eine Halbtagsschule, die diesen Namen auch verdient. Die Kinder werden durchgehend von 8 bis 13 Uhr beschult und zwar nicht irgendwie, sondern von dafür ausgebildeten Lehrkräften.
Die verlässliche Grundschule hingegen sorgt zwar für eine verlässliche Betreuung im gleichen Umfang, muss dies jedoch mit erheblich weniger Lehrerstunden leisten und statt dessen auf „pädagogische Mitarbeiter“ zurückgreifen. Das funktioniert an einigen Schulen gut, häufig aber mehr schlecht als recht. Für die zur Verfügung stehenden Budgets qualifizierte Kräfte zu finden, ist nicht immer einfach.
Ich glaube man kann mit Fug und Recht sagen, die Verlässliche Grundschule ist eine Mogelpackung, meinethalben ist sie auch eine tragfähige Übergangslösung. Perspektivisch sollten jedoch alle Grundschulen Volle Halbtagsschulen werden.
Die bestehenden Vollen Halbtagsschulen jetzt aufzulösen, ist daher ein völlig falsches Signal. Richtig wäre hingegen, sie jetzt beizubehalten und im Falle der ja angeblich in drei Jahren absehbaren Verbesserung der Lage weiter auszubauen. Volle Halbtagsschulen sind im übrigen der Nukleus für die Entwicklung Gebundener Ganztagsschulen.
13. Ca. 10 % der Anrechnungs- und Entlastungsstunden der Lehrkräfte zur freien und flexiblen Vergabe durch die Schulleitung werden vorübergehend für zwei Jahre reduziert und anschließend wieder gewährt. Die Entlastungsstunden für Beratungslehrkräfte werden für diesen Zeitraum um eine Stunde reduziert.
„… und anschließend wieder gewährt.“ (?!) Ich glaube das erst, wenn es soweit ist.