Johnny Haeusler – Mitherausgeber und Autor des Blogs Spreeblick und Mitveranstalter der re:publica – hat Post von Ursula von der Leyen bekommen. Auf drei Seiten echten und eigenhändig unterzeichneten Papiers reagiert die Ministerin auf Johnnys offene Einladung zum Dialog über die von von der Leyen vorangetriebenen Netzsperren gegen Kinderpornographie.
Johnny reagiert auf den mit Floskeln geschmückten und Bekanntes wiederholenden Brief mit der ihm eigenen und bewunderswerten Contenance. Er bedankt sich artig und setzt sich sachlich mit einigen Argumenten aus dem Ministerium auseinander. Abschließend bittet er seine Leser und Kommentatoren um das notwendige und der Sache dienliche Diskussionsniveau.
Ich gestehe, mir fällt es schwer, angesichts des Briefes an Johnny sachlich zu bleiben. Ich bin hingegen geneigt, diesen Brief eine bodenlose Frechheit zu nennen.
Der Brief an sich (PDF), gerichtet nicht an irgendwen, sondern immerhin an einen einflussreichen Publizisten und inhaltlich bar jeder tieferen Auseinandersetzung mit den in den letzten Wochen vorgebrachten Argumenten der Gegner von Netzsperren, bietet dazu bereits Anlass genug.
Doch vollends auf die Palme bringt mich, dass mir der Brief über weite Strecken seltsam bekannt vorkommt. Denn auch ich habe Post auf dem Ministerium von von der Leyens. Mit einem auf den 02. März datierten Schreiben antwortete mir der parlamentarische Staatsekretär im BMFSFJ Herrmann Kues auf meine bereits Mitte Februar vorgebrachte Kritik an den Plänen für Netzsperren.
Das Schreiben hier wiederzugeben verbietet sich, da es an mich persönlich gerichtet war. Aber soviel sei verraten. Die Struktur ist ähnlich, die Argumente wiederholen sich, ja sogar halbe Absätze sind wortgleich formuliert. Für Johnnys Brief wurde also – so mein Eindruck – ein bereist vielfach aufgewärmter Briefentwurf ein wenig aufgehübscht. Ernsthafte Auseinandersetzung mit sachlicher Kritik sieht anders aus.
Auf welch dünnem Eis sich die Initiative aus dem Familienministerium bewegt, dürfte allerdings Dank wacher werdender Mainstreammedien inzwischen langsam auch einem breiteren Publikum vermittelbar sein. Lesenswert finde ich u.a.
- Die Spur der Kinderschänder von Oliver Jungen in der F.A.Z
- Tyrannei des Guten von Josef Joffe in der ZEIT
- Peng, du bist tot! von Lorenz Maroldt im Tagesspiegel
- Wie man eine Generation verliert von Kai Biermann bei ZEIT online
Wer jetzt überzeugt ist, dass von der Leyen auf dem Holzweg ist, sollte übrigens auch den Mut haben, die Petition beim Deutschen Bundestag zu unterzeichnen.
Für fast ebenso eindrucksvoll wie die dort inzwischen über 80.000 Mitzeichner halte ich zudem die Initiative von Hanno Zulla, der bereits 420 Eltern aus IT-Berufen hinter seine fachlich fundierte Kritik an den Netzsperren scharen konnte.
Da ein solches Schreiben ein Politikum ist, ist sein Inhalt nicht „frei und eigenhändig“ erstellt, sondern wird von Mitarbeitern des Ministeriums unter Abwägung der eigenen Position zusammengestellt und ggf. noch dem Duktus des Absenders angepasst.
Das ist normal und wird zum Beispiel im Bundestag bei Bürgermassenbriefen ähnlich erledigt: hier stellen die Büros des jeweils zuständigen MdB der Fraktion oder die thematischen Referenten Standardantworten zusammen, die per Textbausteinsystem auf alle eintrudelnden Briefe zum Thema mehr oder minder passend zurückgegeben werden können. Das vereinfacht die Arbeit enorm und gewährt die Einheitlichkeit, das ist Arbeitsteilung. Ob im Einzelfall davon abgewichen wird, ist immer eine Frage des Antwortenden bzw. Unterschreibenden. Er macht sich durch die Unterschrift den Inhalt zueigen.
Da kann man drüber mosern – oder es sein lassen. Beispielsweise Gewerkschaften schaffen es durchaus, dass mehrere Tausend gleichlautende Schreiben (mit leeren ______ zum Namen eintragen) bei den MdB eingehen. Das wird dann oft gleichermaßen mit Standardschriftstück A, B oder C beantwortet und hält den Laden überhaupt arbeitsfähig…
@Falk: Schon klar und in der Tat nicht verwerflich.
Worauf ich hinaus will ist zweierlei: vdL schreibt hier nicht irgendeinem Bürger, sondern einem nicht unbedeutenden Publizisten. Da kann man schon ein wenig mehr als einen Standardbrief erwarten, denke ich.
Außerdem sind seit meinem Brief von Kues über zwei Monate ins Land gezogen, in denen hunderte von Texten mit stichhaltigen Argumenten verfasst wurden. Auf kein einziges Argument findet vdL eine neue Antwort. Ich zitiere mich mal selbst: „Ernsthafte Auseinandersetzung mit sachlicher Kritik sieht anders aus.“
Schade um die drei Seiten Papier ;-)