Als wäre die unwürdige Inszenierung vom Sonnabend nicht schon schlimm genug gewesen, haben die Tagesthemen die Fehlleistungen der ARD in dieser Sache gestern Abend munter fortgesetzt.
Der Bericht über den Zwitschernden Verrat glänzt zum einen mit Recherchepannen und schräger Fakteninterpretation, zum anderen werden die ganz wesentlichen Fragen nicht geklärt.
Nicht zwei sondern mindestens drei Mitglieder der Bundesversammlung – nämlich auch @GarreltDuin – twitterten das Ergebnis lange vor der Ergebnisverkündung. Kaum vorstellbar, dass die Tagesthemen das nicht wussten, aber möglicherweise passte der Ostfriese einfach nicht mehr in den Beitrag. Dabei wäre es womöglich erhellend gewesen, mit Duin zu sprechen. Der beteuert nämlich, die Information von einem Journalisten bekommen zu haben und davon ausging, dass das Ergebnis deshalb längst medienöffentlich war.
Ebenso jeder Grundlage entbehrt die Aussage in der Anmoderation, die Bundesversammlung selbst sei via Twitter in Kenntnis gesetzt worden. Die war zu weiten Teilen offenbar längst informiert, weil – warum und von wem auch immer – die Fraktionsvorsitzenden bereits sehr früh von dem Ergebnis wussten und es auch weitergetragen haben. Licht in diesen dunklen Informationskanal zu bringen, wäre eine doch eine viel spannendere Rechercheaufgabe gewesen. Aber natürlich etwas komplizierter und leider ganz ohne Twitterhype.
Auch bei der Auswahl des „Experten“ haben die Tagesthemen keine glückliche Hand bewiesen. Ohne Gregor Hackmack zu nahe treten zu wollen – Abgeordnetenwatch macht eine wichtigen Job -, die Aussage „Abgeordnete unterschätzen dieses Medium Internet“ geht zumindest im Falle von @UlrichKelber und @GarreltDuin fehl. Die beiden wussten sehr genau, welche Öffentlickeit sie mit ihren Tweets erreichen. Und sie taten aus meiner Sicht das einzig richtige. Sie setzten ihre Wähler in Kenntnis über etwas, das eine vermeintlich Elite – Bundesversammlung und Medien – längst wusste.
Doch all das ist natürlich nicht so furchtbar wichtig. Die eigentliche Wahl zum Bundespräsidenten ist ordnungsgemäß verlaufen, Ablauf von Auszählung und Verkündung spiegeln das manchmal etwas ruppige Amtsverständnis von Norbert Lammert wieder – nehmen wir es mit Bochumer Humor – und spätestens zur nächsten Präsidentenwahl in fünf Jahren dürfte auch der Bundestagverwaltung klar geworden sein, dass sie sich künftig ein wenig besser organisieren muss.
Was mich jedoch wirklich ärgert, ist der Umstand, dass die ARD nicht zur Selbstkritik fähig ist. Der eigentliche Skandal ist doch, dass die Fernsehzuschauer am Sonnabend hingehalten wurden, wie in einer schlechten Call-in-Show.
Ach übrigens: Was ist eigentlich eine „Handy-SMS“?
Nachtrag I: Laut Handelsblatt wird jetzt eine Parlementsaffäre aus der Sache.
Nachtrag II: Volker Beck – von Anfang an via Twitter an der Diskussion beteiligt – schilt via Blog die bösen Twitterer. Ich halte das für Unsinn und habe entsprechend kommentiert.