Wie meine Leser hier vielleicht nicht alle wissen, engagiere ich mich nicht nur auf Landesebene für den Zukunft der Grundschulen, sondern bin als Stadtelternratsvorsitzender auch in die Diskussion um eine zukunftsfähige Grundschulstruktur in Varel eingebunden.
Varel verfügt derzeit noch über acht eigenständige Grundschulen. Drei dieser Schulen sind schon jetzt so klein, dass teilweise sogenannte Kombiklassen eingerichtet werden müssen. In Kombiklassen werden bis zu 26 Kindern zweier Klassenstufen gemeinsam unterrichtet. Vorübergehend ist das eine akzeptable aber dauerhaft keine glückliche Lösung.
Da auch an Varel die allgemeine demographische Entwicklung nicht vorbei geht, wird sich die Situation in den nächsten Jahren dramatisch verschärfen. Besuchen derzeit noch ca. 1.000 Kinder Varels Grundschulen, werden es in sechs Jahren nur noch gut 700 sein.
Dies vor Augen hatte der Schulausschuss im Winter einen Arbeitskreis mit Vertretern der Stadt, der Schulbehörde, der Schulleiter und Lehrer, der Eltern sowie der politischen Parteien eingerichtet, um Vorschläge für ein zukunftsfähiges Konzept zu erarbeiten.
Die Arbeit war ausgesprochen konstruktiv und nach fünf langen Sitzungen lag eine Arbeitsgrundlage vor, die – kurz gesagt – nahelegt, die drei kleinen Schulen zu schließen.
Schon vor der Vorstellung der Arbeitsgrundlage im Schulausschuss kam es zu teilweise massivem sehr emotional geprägtem Protest seitens einer der betroffenen Schulen. Ich akzeptiere diesen Protest. Möglicherweise würde ich ähnlich reagieren, wenn ich unmittelbar betroffen wäre.
Ich bin allerdings mit Blick auf das Wohl aller Kinder – vor allem derer, die gerade erst geboren sind – auch überzeugt, dass es richtig ist, die drei Schulen möglichst bald zu schließen.
Mein Argument ist ein abstraktes und wird manchen gerade deshalb ärgern: Stellen wir uns einmal einen Moment lang vor, wir hätten immer schon nur fünf Schulen gehabt. Die Situation würde von niemandem beanstandet. Wir hätten gleichmäßig ausgelastete zweizügige Schulen mit überwiegend eher kleinen Klassen.
Damit wäre seitens des Schulträgers eine wesentliche Basis für gute Schulen gelegt. Ob die Schulen wirklich gut wären, hinge – wie schon heute – von durch den Schulträger kaum beeinflussbaren Faktoren ab: Vom Können der Schulleitungen, von der Kreativität der Lehrer und nicht zuletzt vom Engagement der Eltern.
In genau dieser Situation werden sich Eltern, Lehrer und Kinder in vier bis sechs Jahren wieder finden, wenn wir heute handeln. Niemand wird längst geschlossenen Schulen hinterher trauern, viele werden sich nicht einmal erinnern, dass es einmal acht Grundschulen gab. Und niemand käme auf die Idee, neue Schulen einzurichten. Im Gegenteil: Jeder, der so etwas vorschlüge, würde mit Kopfschütteln oder Schlimmerem bedacht.
Aus Sicht kommender Schülergenerationen spricht also nichts gegen die Schließung der drei Grundschulen.
Handeln wir hingegen nicht, werden wir in den nächsten Jahren immer wieder mit Schwierigkeiten konfrontiert sein. An den kleinen Grundschulen werden regelmäßig Kombiklassen notwendig sein, die anderen Schulen – in der aktuellen Diskussion sträflich vernachlässigt – rutschen teilweise in die Einzügigkeit mit dann voraussichtlich sehr großen Klassen. Schwierigkeiten, die dem Schulträger anzulasten wären.
Gegen die Schließung der Schulen sprechen natürlich ganz konkrete Argumente. An einem Standort steht ein von sehr engagierten Eltern unterstütztes Ganztagskonzept auf dem Spiel, an anderen Standorten wird großartige Integrationsarbeit geleistet.
Doch das sind Momentaufnahmen. Schulleitungen werden wechseln, Kollegien sich verändern und vielleicht ist die nächste Elterngeneration ganz anders als die Gegenwärtige. Die Qualität der Schulen wird wie immer von vielen teils zufälligen Faktoren bestimmt sein.
Gegen die Schließung sprechen zudem die Belastungen für die Kinder, die jetzt die Schulen besuchen. Trotz alle Bemühungen um sanfte Übergänge werden einige Kinder kleine Brüche in ihrer Schulbiographie erleben. Das sie daran zerbrechen ist aber eher unwahrscheinlich.
Irgendeine Schülergeneration jedoch wird diese Belastung auf sich nehmen müssen. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass die Schülerzahlen noch weiter abnehmen werden. Die jetzt vielleicht noch gerade vermeidbaren Schulschließungen sind dann nicht mehr abzuwenden.
Dass sich die jetzt unmittelbar betroffenen Eltern und Kinder zur Wehr setzen ist verständlich und in Ordnung. Doch für mich als Vertreter aller Vareler Eltern kann das nicht handlungsleitend sein. Für verantwortungsvolle Politiker sollte es das ebenso wenig sein.
Ich begrüße daher sehr, dass der Bürgermeister sich der Aufgabe annimmt, die Ergebnisse des Arbeitskreises in allen Schulen persönlich vorzustellen. Ich hoffe sehr, dass viele Eltern – auch an den vordergründig weniger betroffenen Schulen – zu den Veranstaltungen kommen und sich die Fakten in Ruhe erläutern lassen. Und ich bin überzeugt, dass jeder, wenn er dann von seiner persönlichen Situation abstrahiert, meine Position zumindest als nicht abwegig akzeptieren kann.
Und hier die Termine der Infoabende:
- GS Altjührden: Montag, 8. Juni, 19 Uhr.
- GS am Schlossplatz: Dienstag, 9. Juni, 19 Uhr
- GS Osterstraße: Mittwoch, 10. Juni, 18.30 Uhr
- GS Borgstede: Donnerstag, 11. Juni, 18.30 Uhr
- GS Hafenstraße: Mittwoch,12. Juni, 19.30 Uhr
- GS Langendamm: Montag, 15. Juni, 20 Uhr
- GS Büppel: Dienstag, 16. Juni, 18.30 Uhr
- GS Obenstrohe: Montag, 22. Juni, 19 Uhr
Leider werde ich nicht bei allen Terminen selbst anwesend sein können. Wer sich mit mir austauschen möchte, kann das aber gerne hier in den Kommentaren, per E-Mail oder telefonisch tun.
„In Kombiklassen werden bis zu 26 Kindern zweier Klassenstufen gemeinsam unterrichtet. Vorübergehend ist das eine akzeptable aber dauerhaft keine glückliche Lösung.“
Im Gegenteil! Wie zahlreiche Studien belegen ist das Lernen in altersgemischten Klassen weitaus besser als in altershomogenen Klassen. Also kann man ja hoffen, dass diese Situation bestehen bleibt.
Davon einmal abgesehen ist es doch komisch in den 12/13 Jahren Schule Menschen nach Alter zu sortieren. In der Gesellschaft (nach der Schule) passiert dies nie! (zumindest nicht bis zu einem gewissen Alter – da stecken wir sie dann wieder alle zusammen in ein Haus und warten dass sie sterben)
@robert: Völlig richtig. Lernen in altersgemischten Gruppen ist ein interessantes Konzept mit guten Ergebnissen. Dem wird in Niedersachsen übrigens in sofern Rechnung getragen, als die flexible Eingangsstufe gefördert wird. Kinder der ersten und zweiten Klasse gehen in eine Klasse. Dies eröffnet zudem die Möglichkeit, besonders gute Kinder schon nach einem Jahr, schwächere Kinder erst nach drei Jahren in die dritte Klasse zu überweisen.
Doch dafür braucht es besonders ausgebildete Lehrer, die die in solchen Gruppen notwendige Differenzierung leisten können und wollen. Die Entscheidung für solche Konzepte sollte daher die Schule treffen.
Kombiklassen entstehen jedoch qua Verordnung und nicht steuerbar, da sie in schwachen Jahrgängen gebildet werden müssen, in stärkeren wieder entfallen. Vollkommen unabhängig von vom Wollen und Können der Kollegien. Das ist mit altersgemischten Gruppen ganz sicher nicht gemeint.
Wenn an kleinen Schulen Kombiklassen gebildet werden müssen hat das zudem Auswirkungen auf die Kollegien. Im Extremfall unterrichten dann noch zwei Lehrer an einer Schule. Nichts gegen kleine Schulen. Aber alles hat seine Grenze.
Eine Schließung von Schulen ist unvermeidlich, wenn die Schülerzahlen sinken. Die Mittel können und müssen für die übriggebliebenen Bildungseinrichtungen genutzt und unterm Strich die Qualität gesichert/wiederhergestellt werden.
Für einen Elternvertreter auf jeden Fall ein heißes Eisen, zumal in der Elternschaft oft ausschließlich die persönliche Perspektive im Vordergrund steht. Dahinter mag sich die Angst verbergen, daß alles nur schlimmer wird. Um so wichtiger wird es in Zukunft sein, eine positiv geprägte Rückschau halten zu können.
Gruß
Thorsten