Eigentlich war gestern ein richtig schöner Tag. Allerbestes Jadebusenwetter, Zeit für Gartenarbeit und gute Beine bei der abendlichen Rundfahrt. Doch leider hatte ich in der Nacht zuvor – kurz vorm Einschlafen – noch einen Blick in meine Twitter-Timeline geworfen und war so auf den vorläufigen Tiefpunkt der Causa Vodafone aufmerksam geworden.
Mir raubt sowas nicht den Schlaf. Das überlasse ich meinen Kindern. Doch nachdem das ohnehin traurige Ereignis am nächsten Morgen noch den ersten ernsthaften Kollateralschaden der verstolperten Gehversuche Vodafones im Social Web nach sich zog, ließ mich die Sache gestern nicht mehr los. Den Versuch, mir das Thema aus dem Kopf zu schreiben habe ich dennoch zugunsten einer geruhsamen Nacht vorzeitig abgebrochen.
Zu „Papier“ gebracht hatte ich bis dahin folgende dürre Zeilen:
Ich habe heute ein paar hundert Quadratmeter Rasen gemäht und unsere Baustelle aufgeräumt, ich habe eine große schnelle Runde mit dem Rad gedreht und gerade habe ich noch die Kinder geduscht und ins Bett gebracht. Zwischendurch habe ich immer mal wieder geschaut, ob er noch da ist oder ob das doch nur ein böser Traum war.
Doch leider ist er immer noch da: Der traurige Höhepunkt einer mit #Vodafail schmeichelhaft umschriebenen Kommunikationskatastrophe.
Dabei hatte alles so schön angefangen. Im Januar teilte @Nico per Hausmitteilung mit, dass er fortan bei den Webern von Scholz & Friends unter Vertrag stehen werde. Mich hat das gefreut. Für Nico sowieso. Geld stinkt nicht und Spaßpotential hatte der Job ohne Frage auch. Außerdem hatte ich auch irgendwie die vage Hoffnung, dass Nico in einer so wichtigen Agentur vielleicht ein paar Dinge beschleunigen helfen kann, die den Wandel insgesamt voran bringt.
Als dann im Frühsommer die Tweets vom #vfdreh aus dem fernen Berlin herüberwehten, war ich ja schon ein wenig neidisch. Die Sache schien Spaß zu machen und die vielen positiven Eindrücke in meiner Timeline fingen an, ein wenig Glanz auf mein völlig ramponierte Markenbild von Vodafone zu malen. Skeptisch war ich nur wegen des enormen Aufwands, der dort betrieben wurde. Soviel Bohei für ein Video? Wer konnte denn ahnen, dass die Bloggerprominenz gleich für die neue Dachkampagne eingespannt werden.
Am ersten Juni dann der Start des Corporate Blogs. Etwas roh zusammen gezimmert und sicher verbesserungswürdig. Aber im Grunde mag ich solche improvisierten Starts. Da kann man beim Wachsen zusehen.
Nach diesem vielversprechenden Start…
Doch kurze Zeit später nahm der Wahnsinn seinen Lauf. Mehr zufällig und von meiner Timeline verführt, geriet ich in die Pressekonferenz…
So weit, so gut. Das Wesentliche fehlt noch, wie man sieht. Doch wie so oft im Web 2.0 hat – während ich schlief - jemand anders „meinen“ Text aufgeschrieben. Natürlich nicht in meinem Stil, aber mit den Schwerpunkten, die auch ich angesprochen hätte. Und auch die Schlüsse und Beurteilungen entsprechen weitgehend den meinen.
Ich bitte also, den Weg an den Blogbar zu gehen und diesen Text von Don Alphonso zu studieren. Wirklich praktisch dieses Internetz, nicht?
Für diejenigen, die sich noch tiefer mit dem Thema auseinander setzen wollen, hier noch ein paar Lesehinweise:
- Ein nicht unwesentlicher Teil der Diskussion um Schnutigers Text im Vodafone-Blog hat beim ix stattgefunden. Der Stil des ix und seiner Leser ist nicht immer freundlich. Das ist weithin bekannt und vor diesem Hintergrund kann ich seine Einwände als durchaus sachliche Kritik verstehen.
- Eine trotz persönlicher Beteiligung distanziert sachliche Nachbetrachtung der Bloggerbeteiligung bei Vodafone findet sich bei @kosmar.
- Einen leidenschaftlichen Appell in Richtung Schnutinger, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten, hat @kmto verfasst.
- Schwer irritiert haben mich schließlich die Einlassungen von @jingler (Lernt erstmal diskutieren!), @Sichelputzer (Deutschland hat endlich einen Social Mob!), @DonDahlmann (Schlechte Erziehung). Deren gemeinsamer Tenor: Die Reaktionen auf den Schnutinger-Beitrag seinen (überwiegend) unangemessen.
Mir scheint, hier ist der Blick arg verstellt durch die überstürzte Demission von Schnutinger.
Der Text von Schnutinger war angesichts der Vorgeschichte ein bodenlose Unverschämtheit. Nicht von Schnutinger, die wohl eher Opfer der Umstände ist, sonders seitens der Blogredaktion. Die Reaktionen darauf waren in sofern eher moderat. Und die übelsten Kommentare hätte man vielleicht einfach nicht freischalten sollen.
Nachträge:
- Unbedingt lesenswert ist der Beitrag von @breitenbach Was der Vodafone “Corporate Blog†Case wirklich kaputt macht, der darin meine frühe These von den Schäden für den Social Media Markt aufgreift und sehr gut begründet. Außerdem macht auf die nicht wahrgenommene Verantwortung des Vodafone-Teams für die eingeworbenen Blogger aufmerksam, deren Bedeutung @tapioliller hier noch einmal hervorhebt.
- Bei off the record sieht man noch Chancen für Vodafone, wenn jetzt alles richtig gemacht wird: Es kommt die Zeit.
Abgesehen davon, daß ich aus dem Lachen gestern nicht mehr raus kam, fand ich die Kommentare auf dem Vodafone Blog auch sehr moderat. Immerhin bis Seite 7 habe ich mich durckgeklickt und das war besser als Harald Schmidt. Die Kommentare sprühten vor dem, was man bei Vodafone so völlig vermisst: Witz und Esprit.
Nach den Meldungen auf Twitter hatte ich eine fiese Hexenjagd erwartet, aber die Leute haben nur, wie gesagt mit Charme, zum Ausdruck gebracht, was ich ja schon gebloggt habe: sie fühlen sich verarscht. Es gibt kein treffenderes deutsches Wort dafür. Zumindest bei den Sachen, die ich gelesen habe, hat sich niemand „ausgekotzt“, sondern wirklich viel Geist bewiesen. Wie gesagt, die beste Satire, die ich seit langem gesehen / gelesen habe ;-) (z.B. „die neue Master Destruction Strategie, frisch aus USA ;-)))
@Michael: Ab Seite 8 wird es teilweise etwas ekliger. Aber zu dem Zeitpunkt waren @carmenhi und @nico längst involviert und hätten das auch steuern können.
Schöne Zusammenstellung und Dokumentation des Cases – sage ich nicht nur, weil ich mit auftauche ;-)
Eines ist mir noch aufgefallen und das entspricht natürlich nur meiner ureigenen Interpretation. Ich hatte ein wenig das Gefühl, das sich die Lager plötzlich spalten und gerade die Leute aus dem Umfeld der involvierten Berater, also die Friends der Friends sich so und die „Feinde“ der Friends sich eben so äußerten. Auch konnte ich beobachten dass frühere Opfer von Kommentarwut natürlich auch gleich auf die Bezeichnung „Mob“ gestürzt haben.
So oder so, es beweist mir wieviel Emotion da drin steckt und wie wenig rational wir alle sind. Vieles noch aus den Zeiten der Reptilien. Fressen oder gefressen werden.
Die Reaktion mit „Hetze“ und „Mob“ ist für mich genauso überzogen wie VEREINZELTE persönliche Hämekommentare, wobei ich mich echt wundere, weil eine echte üble Beschimpfung der Person an sich, fand die wirklich statt? (Es sei denn man empfindet „Werbetexterin“ als übelste menschenverachtende Beleidigung) Die Frage am Ende mein ich Ernst, vielleicht kann mir jemand Beispiele sagen, ich hab leider nicht die Zeit gehabt ALLE intensiv zu erforschen.
@Patrick: Die neue und sehr deutliche Lagerbildung hat mich ebenfalls mehr als überrascht. Wenn „eine(r) von den Guten“ angeschossen wird, kommt offenbar der Beschützerinstinkt zum Tragen. Ob das auch passiert wäre, wenn Schnutinger ein Kerl wäre? Hoffentlich! Sonst wäre das ein böses Beispiel von negativer Diskriminierung.
@Djure: Echte Kerle nehmen sowas selbst in die Hand und sitzen das aus, frei nach John Grays Männern in den Marshöhlen. Frauen wollen laut Gray ja sowieso nur über die unbefriedigende Situation klagen, sie wollen keine Lösungen. Doch genug der chauvinistischen Randbemerkungen.
Bisher konnte uns leider niemand sagen, wo denn nun die lynchartigen Mobkommentare stehen, die die Würde deines Menschen angetastet haben. Wenns nur beim „Bullshit“ bliebe, wäre das ja ziemlich aufgepustet alles. Muss ich doch mal selbst erforschen…
Wie schon andernorts geäußert: VF und SF sind so. Ihre Kommunikate sind eine authentische Repräsentation ihrer Kultur. Das ist keine naive Malerei. Warum fällt das niemandem auf?
Die Frage ist ja jetzt wirklich, was für ein Schaden wurde angerichtet und kann man diesen irgendwie nochmal ausbügeln?! Um ehrlich zu sein, konnte ich im Alltagsgeschäft und bei den größeren Geschäftstätigkeiten von Vodafone jetzt nicht wirklich große Auswirkungen der ganzen Angelegenheit beobachten und auch im Netz scheint doch alles seinen gewohnten Weg zu gehen. Ich bin trotzdem gespannt, ob so bald nochmal ein Unternehmen einen solchen Vorstoß wagt.
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