Das Internet – darüber besteht unter Experten weitgehend Einigkeit – wird unsere Gesellschaft auf dramatische Weise verändern. So schreibt etwa Sascha Lobo im Spiegel,
„Ich halte die Auswirkungen [des Internets] auf die Gesellschaft und besonders auf die kommenden Generationen für so revolutionär, als wären Buchdruck, Telefon und Fernseher gleichzeitig erfunden worden.“
(Quelle: Sascha Lobo, Spiegel Online)
und stimmt damit dem Objekt seines als Replik auf FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher angelegten Textes zu, wenn dieser die „die Tragweite der digitalen Vernetzung als gigantisch einschätzt.“
Neben dieser Einigkeit in der Abschätzung der Tragweite gibt es aber natürlich wenig Übereinstimmung zwischen dem Payback-Autor Schirrmacher und dem Internet-Visionär Lobo.
Während Schirrmacher mit kulturpessimistischer Haltung auf der Bremse steht, betont Lobo vor allem die Chancen ohne die Risiken gänzlich auszublenden.
Ich muss sicher nicht betonen, wem ich zuzustimmen geneigt bin. Und dennoch kann ich jeden verstehen, der sich angesichts der anstehenden Umwälzungen um die Zukunft unserer Gesellschaft sorgt. Ich mache mir diese Sorgen – trotz aller Begeisterung über die Chancen – auch, bin jedoch überzeugt, dass die Veränderungen unabwendbar sind. Um es mit meinen Freund Wolfgang Lünenbürger zu sagen: „Das geht nicht mehr weg (und außerdem macht es nicht dick).“
Damit gibt es nur eine einzige Handlungsmaxime: Es gilt den Wandel zu begleiten und – ohne einen einzigen Gedanken an Repression – zu gestalten.
Zentraler Baustein dabei ist die Ausbildung von Medienkompetenz. Lobo fordert in seinem Text im Spiegel daher „ein Schulfach Interneterziehung“.
Mal losgelöst von der Frage, ob Interneterziehung ein Schulfach sein oder nicht besser als Querschnittskompetenz vermittelt werden sollte, stellt sich jedoch sofort die Frage, wer diese Kompetenz überhaupt vermitteln soll?
Faktisch ist es nämlich so, dass das Wissen um das Internet zwar unter Schülern aber kaum unter Lehrern verbreitet ist. (Dazu empfehle ich dringend, den Beitrag Fehlende Medienkompetenz: Wie aus Lehrern Schüler werden von Martin Weigert zu lesen.) Doch reicht dieses Wissen aus? Fehlt diesem Wissen nicht die Erfahrung?
Ich habe im privaten Umfeld wirklich viel mit Lehrern zu tun. Darunter durchaus einige mit hoher Kompetenz und dem andauernden Willen, sich zu verbessern. Doch zum Digital Resident hat es noch kein einziger geschafft.
Zudem stimmen die Berichte über die Mehrheit der Lehrerschaft alles andere als hoffnungsvoll. Bei der Frage nach der eigenen Medienkompetenz und dem was man als Medienkompetenz vermitteln könnte, steht nicht das Internet, sondern nach wie der Computer und die darauf installierte Software im Mittelpunkt. Medienkompetenz hört bei Lehrern vielfach auf den Namen Powerpoint.
Und so wurde ich denn auch kürzlich gefragt, ob ich nicht Seminare zum Thema Medienkompetenz für Lehrer anbieten wolle. Ja! Will ich. Doch bei näherem Hinsehen lautete die Aufgabe, eine Powerpoint-Schulung durchzuführen. Ich habe abgelehnt.
Auf diese Weise heute noch das Thema Medienkomptenz im Internet anzugehen, ist vergleichbar mit dem Versuch, jemandem die französische Sprache zu lehren, damit er seinen Schülern die Prinzipien der Demoktatischen Gesellschaft näherbringen kann.
Computer und die darauf installierte Software sind längst nur noch eine Folie, mit der man ins Internet kommt. Ein Folie zudem, die zunehmend von anderen Werkzeugen abgelöst wird.
Was wir dringend brauchen, sind Lehrer, die sich – auch gegen inneren Widerstand – endlich auf das Internet einlassen, wie ihre Schüler das längst tun; die Facebook einfach mal ausprobieren, um schülerVZ zu verstehen, die nicht versuchen bei Twitter das Belanglose zu finden, sondern es für sich nützlich zu gestalten und die vielleicht auch einfach mal kluge Gedanken – zu dieser Debatte?! – ins Internet schreiben.
Dabei will ich gerne helfen. Einzige Voraussetzung. Wissen, wie man einen Computer anstellt und was ein Browser ist. Und die Bereitschaft einen Google-Account, ein Facebook-Profil und einen Twitter-Nick anzulegen. Ohne Angst und – zunächst – ohne Fragen.
Nachtrag: Noch nicht genug gelesen? Hier geht’s in die Zukunft.
Es gibt 3 Typen von Lehrern:
1. Ist mit der Technik und den Medien mitgewachsen
2. Gehoert der juengsten Lehrergeneration an und ist damit aufgewachsen oder
3. Wird es nie komplett verstehen.
Das Schulsystem haengt immer 1 oder 2 Generationen hinterher, den aktuellen Lehrrertyp zu aendern hat rein geschichtlich soweit ich weiss nie wirklich geklappt. In 20 Jahren gibt es 3) nicht mehr. Meine Generation wird damit zwar Medial verklaert, aber das interessiert ja auch keinen.
@Schueler: Ich weigere mich das so hinzunehmen. Erstes, weil die Haltung zum Internet nur zum kleineren Teil eine Generationenfrage ist – sprich Typ 3 kann durchaus auch 28 sein – und zweitens, weil die Risiken zu groß sind.
Packen wir’s an.
Mir ist die Diskussion um Medienkompetenz grundsätzlich zu oberflächlich. Und wenn Lobo davon spricht, dass es ein Schulfach „Interneterziehung“ geben müsste, muss auch die Angabe von Inhalten erfolgen. Und eine Auseinandersetzung mit der bestehenden erziehungswissenschaftlichen Definition von „Medienkompetenz“. Vor allem die von Dieter Baake vorgetragene Definition müsste angesprochen werden, wenn die Diskussion einen gehaltvollen Verlauf im Kontext von Schule und Bildung nehmen soll.
@Dennis: Deine Einwände sind völlig richtig. Ich würde diese Diskussion nur zu gerne mit den Lehrern führen, die sich mit herkömmlicher Medienkompetenz auskennen. Doch dazu müssten sie sich erst mal auf das Internet einlassen.
Hast Du einen Link zu einem Text von/über Baake?
Die Behauptung, dass sich Lehrer nicht auf das Internet einlassen wird durch Wiederholung nicht wahrer. Ein paar Beispiele gefällig?
http://www.schulpodcasting.info/
http://www.lehrer-online.de/twitter.php
http://www.webquests.de/
http://www.elba.ethz.ch/services/blogs/szenarien
und so weiter …
Sicher sind das nur einige Beispiele und es gibt viele LehrerInnen, die da nicht mithalten. Aber die Belehrungen von Herrn Lobo bringen uns da auch nicht weiter.
Also weniger stöhnen und stattdessen die willigen LehrerInnen unterstützen!
@Thorsten: Kein Widerspruch. Meine – nicht Lobos – pauschale „Abfertigung“ der Lehrer ist ohne Frage eine unzulässige Verkürzung. Aber der Artikel war auch so schon lang ;) Und Du wirst nicht bestreiten, dass eine große Mehrheit allenfalls Digital Visitors und kaum Residents sind.
Im übrigen stöhne ich nicht, sondern unterstütze willig jeden Tag. Und Lobo stöhnt erst recht nicht.
Danke für Links. Mehr davon.
Erschwerend kommt hinzu, dass diejenigen, die an den Schulen Internetkompetenz vermitteln sollen, vielleicht nicht die richtigen sind.
Das Netz – das heißt für die vordigitale Generation: „Was mit Computern“. Man parkt es am besten beim Informatiklehrer. Der tut sich zwar möglicherweise leichter mit dem Schritt in die Sozialen Netze – muss aber eine wichtige Tatsache erst noch lernen, die die digital natives instinktiv erfasst haben: Im Netz zu kommunizieren hat erst einmal nichts mit der Technik zu tun.
@Jan Eggers: Die Informatik in Ehren. Irgendjemand muss ja die Internetzugangsgeräte der Zukunft erfinden. Aber ein erster wichtiger Schritt beim Einlassen auf das Internet ist die Erkenntnis, dass das mit Computern eher wenig zu tun hat.
Wer erklärt unseren Kindern das Internet?
Gegenfragen: Wer hat Luther die Vorzüge des Gutenbergschen Buchdrucks erläutert und damit die Welle des Protestantismus ausgelöst? Wer hat den Menschen die Vorzüge des Archivierens durch Fotografie und Phonografie und dem daraus resultierenden Konglomerat Kinematografie gelehrt? Wieso haben meine Großeltern plötzlich Radio gehört und warum konnten meine Eltern das Fernsehen bedienen? Erstaunlich auch, dass die sogenannten Digital Natives heute Techniken nutzen, die von den fast schon abwertend als Digital Immigrants bezeichneten Menschen mittleren Alters erfunden wurden.
Jedes neue Medium hat im Laufe der Zeit seine Zielgruppe und die damit verbundene Nutzung gefunden. Trotz Schrift sprechen bis heute die Menschen mit- und übereinander, trotz Buchdruck schreiben wir uns noch handschriftliche Briefe, trotz Kino schauen wir uns Fotos an, trotz MTV und Viva höre ich gerne einfach nur Musik. Trotz Fernsehen gönne ich mir hin und wieder Gedrucktes – trotz Internet werden alle anderen Medien weiter bestehen. Nur das jeweilige Leitmedium der Zeit wird wechseln und die Rolle und die Funktion der anderen Medien wird eine andere sein.
Es wird Menschen geben, die das neue Medium eher für sich entdecken und andere werden sich vermutlich zeitlebens sperren, es zu nutzen.
Es ist aber keine Frage des Alters oder der Herkunft oder des Vorwissens: in jeder Gesellschaft gibt es konformitätsverstärkende und diversifizierende Kräfte. Während die einen den (geistigen) Besitzstand wahren wollen, entdecken die anderen neue Wege.
Zur Frage zurück. Wer erklärt nun unseren Kindern das Internet? Simple Antwort: Alle die, die es können und wollen!
Vielleicht sollten wir aufhören, auf Marshall McLuhan zu hören, der schon in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts den Satz prägte „The medium is the message“. Statt dessen sollten wir wieder mehr anfangen, über Inhalte zu sprechen und weniger über die Kanäle mit denen diese Inhalte verbreitet werden…
@Djure: Zur Einfühung dürfte der folgende Link ganz interessant sein: http://www.uni-bielefeld.de/paedagogik/agn/ag9/Texte/MKompetenz1.htm
Ich finde seine begriffliche Konzeptualisierung der Medienkompetenz ziemlich ausgereift. Gerade für das von dir angesprochene Thema dürfte Baake sehr ergiebig sein.
@Dennis: Ich finde die Gliederung von Baake durchaus hilfreich. Sie zeigt gewissermaßen auf, was die Basis jeder Medienkompetenzausbildung ist. Ich fühle mich an die Medienerziehung meiner Schulzeit Mitte der 80er Jahre erinnert. Was Medienkompetenz theoretisch umfasst, hat sich also im wesentlichen gar nicht verändert.
Ich finde allerdings auch, dass Baake bei dem, worum es mir hier geht, nur bedingt weiterhilft. Wie sollten Lehrkräfte, die keine intensive Erfahrung mit dem Internet haben, diese Konzepte für Digital Natives überhaupt verständlich und vor allem glaubwürdig erläutern.
Worum es mir nur geht, ist der große Nachholbedarf der Lehrerschaft beim eigenen Erleben, was Internet überhaupt bedeutet. Und zwar am besten voraussetzungs- und ziellos. Lehrer neigen dazu, schnell nach der Verwendbarkeit ihrer Anstrengung im Unterricht zu fragen. Darum sollte es aber erst einmal gar nicht gehen. Um es bildlich zu sagen: Kompetenz im Internet zu erwerben ist wie ins Sportstudio zu gehen. Notwendig, um Körper und Geist fit für den Beruf zu machen. Aber ohne unmittelbaren Nutzen für den Unterricht.
@Jürgen Wiese: Einmal angenommen, die These von Weigert stimmt, dass Internet-Wissen zum überwiegenden Teil bei den Schülern verortet ist und zweitens Lobo mit der Abmessung der Tragweite richtig liegt, haben wir es schon mit einer anderen Situation als beim Buchdruck, beim Radio und beim Fernsehen zu tun.
Niemals zuvor wurde eine Medium mit solcher Veränderungsmacht vorwiegend von Kindern und Jugendlichen gestaltet. Ich bin nicht sicher, ob sich ohne Anstrengung von Menschen mit Medienerfahrung – Lehrern? – im Internet ohne weiteres eine Zivilgesellschaft herausbilden kann.
Und natürlich geht es dann um Inhalte. Gerade dort könnten Ältere ja einiges Beitragen.
oder auch Plattformen, die von engagierten Lehrern/Bildungsberater.innen geführt und moderiert werden.
Wie z.B. bei Mädchen-Online-Austria http://www.mona-net.at, das ich schon von Beginn an begleite.
Spielerischer Umgang mit Lerneffekt – und sogar die Schulen machen mit.
Teilweise werden ja Internetzugänge in Schulen gesperrt um Surfen zu verhindern, für MonA-Net konnten uns Mädchen berichten, dass es freigeschalten wurde. Eine positive Entwicklung.
@Djure Das wäre sozusagen ein digitaler Generationenkonflikt, dem sich die ältere Generation zum Teil nicht einmal stellt – wie bereits von dir gesagt, sofern die These von Weigert stimmt. Dabei ist es gerade die Kombination aus dem gestalterischen Potential insbesondere der jüngeren Generation und der Erfahrung der älteren. Im universitären Rahmen etwa erlebe ich leider immer wieder, dass das Interesse für das Internet doch eher gering ist (auch wenn sich das Bewusstsein dafür durchaus entfaltet). Dabei würde ich es begrüßen, wenn deutsche Universitäten mit Studenten in Form von Projekten daran arbeiteten, um beispielsweise Wikipedia als Wissensressource zu erweitern und zu verbessern (auch in Schulen ist dies denkbar). Ich sehe darin gewaltige Potenziale, die derzeit schlicht und ergreifend verschenkt werden. Dabei könnte gerade diese Zusammenarbeit so fruchtbar sein, und zwar für beide „Seiten“ (eigentlich halte ich es ja für etwas verkürzt, in Kategorien wie Jung und Alt zu denken).
@René: Zu Deinem letzten Satz. Wo immer ich kann, versuche ich den Begriff Native zu meiden. Auch viele Natives sind eher skeptische Vistors. Umgekehrt gibt es Immigrants wie mich, die ohne Frage Residents sind (vgl. Kruse: http://s.50hz.de/2j).
Hier konkret geht es aber schon um jung (das Internet war bei der Geburt schon da) und älter.
Ich denke, dass die Diskussion noch etwas komplexer ist in der Realität. Denn zum einen wissen nahezu keine Eltern, was ihre (jugendlichen) Kinder im Internetz machen – es entsteht zum zweiten Mal eine mediale/ kulturtechnische Abkoppelung einer Generation von der davor, ähnlich wie in den 80ern mit den Videospielen. Und zum anderen wird da, wo das Internetz in den Schulalltag einbezogen wird (und das ist nicht so selten, zeigt meine Privatempirie mit meinen beiden Großen, die inzwischen fast 14 und 12 sind und auf verschiedene Formen von weiterführenden Schulen gehen), teilweise ohne Anleitung und teilweise mit falscher Anleitung operiert.
Beispiel: Die Frage, welche Quellen bei Recherchen glaubwürdig sind, wird von den Lehrern, deren Unterricht ich vermittelt durch meine Kinder sehe, offenbar nicht so thematisiert, dass meine Kinder (beide gute Schüler) es wahrnehmen. Die Frage von Urheberrecht, Bildern, Musik etc. wird grob falsch gehandhabt („dann nehmt einfach ein Bild von Google für euer Referat“).
Darum werde ich im Februar eine Elternfortbildung zum Thema „Was machen unsere Kinder da eigentlich im Internet?“ halten und hoffe, dass da ganz viele Lehrerinnen dazu kommen. :)
Es ist viel dramatischer als ihr denkt.
@Djure:
Ich halte die These von Weigert zu überspitzt – und deutlich zu simpel. Wer mag, kann ja mal „Gibt es eine Net-Generation“ von Schulmeister ( http://www.zhw.uni-hamburg.de/pdfs/Schulmeister_Netzgeneration.pdf ) lesen, dort werden die Argumente vieler 2.0-Ikonen relativiert und auf das meiner Ansicht nach notwendige Maß an Bescheidenheit (und Relevanz) gestutzt.
Ein paar zusammenfassende Thesen daraus (in diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere die These Nr. 8 erwähnen):
1. Die Beschäftigung der Kinder und Jugendlichen mit Medien ist nur ein integrierter Teil ihrer gesamten Freizeitaktivitäten, deren primäres Ziel das Gewinnen von Freundschaften und das Zusammensein mit Freunden ist. Wer seinen Fokus ausschließlich auf die Medien richtet, kann diesen wichtigen Bezug zur Sozialisation der Jugendlichen übersehen.
2. Selbst wenn wir nur die Mediennutzung betrachten, müssen wir feststellen, dass die klassischen Medien wie Fernsehen und Film (Video) bei den Jugendlichen Priorität heben und die reine Unterhaltungsfunktion der Medien noch nicht obsolet geworden ist.
3. Aus einer sozialisationstheoretischen Perspektive heraus besonders interessant sind die leider bisher wenigen Beobachtungen, dass die Gewichte der Aktivitäten sich während der Entwicklung der Jugendlichen verändern, dass z.B. die Rolle der Zeitschriften mit dem Alter zunimmt, in dem es gilt, sich ansprechende Idole zu sichern.
4. Schlüsselt man den Umgang mit Computer und Internet nach Funktionsarten auf, so wird erstens deutlich, dass die klassischen Medien Musik und Film erneut mit substanziellen Anteilen vorkommen, und dass zweitens die dominanten Funktionen Email, Chat, Internet-Telefonie sowie das Aufsuchen von Community- Websites deutlich machen, dass ein Gutteil der Computernutzung der Kommunikation
und der Kontaktpflege dient und den ebenfalls gestiegenen Gebrauch
des Mobiltelefons unterstützt.
5. Fasst man Freizeitziele, Ziele des Mediengebrauchs und Intentionen der Computernutzung zusammen, so zeichnet dieses Ensemble sozialer Aktivitäten ein durchaus traditionelles Bild vom Prozess des Erwachsenwerdens. Freundschaften pflegen und mit Peers kommunizieren sind seit jeher die wichtigsten Sozialisationsziele gewesen. Unterhaltung und Spiel als Beschäftigung für Gruppen, aber auch in Phasen des Alleinseins, stellen ein nützliches und sinnvolles Mittel für soziale Aushandlungsprozesse, für den Erwerb von Regeln, für die kognitive und emotionale Auseinandersetzung mit Aufgaben und Problemen dar.
6. Differenziert man sowohl nach den Aktivitäten als auch nach Alter der Kinder und Jugendlichen, so wird eine Entwicklung von Interessen und Einstellungen erkennbar, die ein durchaus klassisches Bild von der Sozialisation der Jugendlichen zeichnet, vom solitären Spiel zur sozialen Kommunikation.
7. (…) Viel wichtiger ist aber, dass diese Differenzierungen
auch ein deutliches Bild davon entwerfen, wie sich Mediengebrauch und Medienkompetenz nach ethnischer und sozialer Herkunft unterscheiden. Die digital Divide wird nicht aufgehoben durch die ubiquitäre Verfügbarkeit der Medien.
8. In dem so beschriebenen Bild der jugendlichen Aktivitäten ist nichts Ungewöhnliches zu sehen. Die Tatsache, dass heute andere Medien genutzt werden als in früheren Zeiten rechtfertigt es nicht, eine ganze Generation als andersartig zu mystifizieren. Im Gegenteil, die Generation, die mit diesen neuen Medien aufwächst, betrachtet sie als ebenso selbstverständliche Begleiter ihres Alltags wie die Generationen vor ihr den Fernseher, das Telefon oder das Radio.
9. Ein Transfer der durch den Umgang mit dem Computer erworbenen Kompetenzen auf das Lernen scheint noch nicht – oder zumindest nicht in dem erwarteten Maße – stattzufinden. Die Benutzung des Computers sowohl für die Schulaufgaben als auch für das Studium in der Universität wird nüchtern als Mittel zum Zweck betrachtet.
@Jürgen Wiese: Ich denke, mir steht es nicht zu, über die schnelle über eine 100seitige offenbar empirisch sehr fundierte Arbeit zu urteilen. Aber zwei Anmerkungen habe ich doch:
Zum einen finde ich es ein wenig unglücklich, die „mit der anderen Meinung“ als „Propagandisten“ zu bezeichnen. Da fällt es mir schon ein wenig schwer, unvoreingenommen weiterzulesen.
Zum zweiten habe ich nach Überfliegen der Arbeit den Eindruck gewonnen, Schulmeister versucht mit aller Gewalt, das genaue Gegenteil zu beweisen. Tenor: Das Internet verändert gar nichts, sondern ist nur eine neue Technik. Und das vor allem, um zu begründen, dass er und niemand sonst, seine Lehre, seinen Unterricht ändern sollte oder muss.
Sich nicht ändern zu wollen, das ist mir nicht geheuer. Aber, darum geht es mir hier auch gar nicht. Über Unterricht und Lehre zu sprechen, dafür ist es viel zu früh. Ich will nicht mehr, als dass Lehrende die ihnen Anvertrauten mit dem Internet nicht allein lassen.
Ehrlich gesagt, bin ich schon zufrieden, wenn Schüler Lesen, Schreiben und Rechnen lernen und im Sinne der Aufklärung in die Lage versetzt werden, Dinge zu hinterfragen. Dazu braucht es natürlich auch Medienkompetenz. Diese ergibt sich aber quasi automatisch, wenn wir die erstgenannten Kulturtechniken ernst nehmen. Der von den Propagandisten einer voraussetzunglosen Kommunikation beförderte Hype um das Internet ödet mich nur noch an, denn er geht mir zu oft damit einher, dass der Dialog über die Fundamente gesellschaftlichen Zusammenlebens abgelehnt wird. Statt dessen überwiegt das „Ich will alles und zwar jetzt“ als Ausprägung der digitalen ADHS.
@Sascha: Kein Widerspruch. Nur warum der pessimistische Unterton? Und noch einmal: Ob sich Unterricht ändern muss, steht hier (noch) nicht zur Debatte. Lediglich die Kompetenz der Lehrenden.
Lobo hat völlig recht, sowohl in der Diagnose über den revolutionären Charakter des Internet als auch in der Konsequenz, dass wir die Kinder und Jugendlichen heranführen und ihnen vielfältige auf das Netz bezogene Kompetenzen vermitteln müssen müssen (ich würde das Medienkompetenz im weitesten Sinn nennen), und zwar weit über die Medienkompetenzen der Generation ihrer Eltern hinaus.
Denn gerade weil das Internet ja alle bisher erfundenen Medien einschließt, kombiniert, weiterführt, gerade weil wir alle daran mitschreiben, mitgestalten, mitprogrammieren können (die entsprechenden Skills vorausgesetzt), schließen Medienkompetenzen, wie wir sie für das 21. Jahrhundert brauchen, neben reinen Lese- und Suchkompetenzen auch gestalterische Kompetenzen mit ein: eine Geschichte schreiben, eine Story erzählen, fotografieren, eine Kamera führen, einen Beitrag uploaden, Kenntnisse über rechtliche Rahmenbedingungen, Kenntnisse über die „dunklen Seiten des Internet“ wie z.B. Internetkriminalität, aber weit darüber hinaus auch: eine konsistente Darstellung des eigenen Ich in verschiedenen Rollen und Kontexten geben.
Ganz klar: Medienerziehung gehört ins Bildungssystem auf allen Ebenen inklusive der Lehrerausbildung. Schon während meiner Schulzeit, als das Fernsehen dominant und die Videokasette gerade en Vogue war, praktizierten meine Lehrer seltsames Doppelverhältnis in Bezug auf Medien: Einerseits erzählten uns unsere Lehrer viel davon, wie uns das Fernsehen uns vermeintlich zu Couch-Potatoes, Analphabeten oder Gewalttätern macht, andererseits haben sie uns viele ausgesucht schlechte Kriegsfilme verabreicht, um die Lehrstunde nicht selbst gestalten zu müssen. Im Interesse der Kinder darf sich dieses Doppelverhältnis nicht wiederholen; da schließe ich mich Deinem Appell sehr gern an helfe auch gern mit.
@Djure: Der Unterton ist kein Unterton, und er ist nicht pessimistisch. Es ist – im profesionellen Kontext – eine ganz deutliche Absage an viele der selbst ernannten Social Media Experten, die aus erfolgreichen Internet-Marketing-Kampagne schließen, dass die Affirmation gegenüber Kunden und Mitarbeitern, das einzig erfolgreiche Rezept ist. Wenn wir diese Haltung auf Bildung und andere gesellschaftlich relevanten Prozesse übertragen, werden wir nicht nur die digitale Tribalisierung erleben, sondern auch die Übertragung steinzeitlicher Konfliktlösungsmechanismen auf die Moderne. Das ist dann doch wieder etwas pessimistisch ;-)
Aber: Leben findet nicht nur medial vermittelt statt. Genau das zu vermitteln, ist der aufklärerische Impuls, den ich vermisse, und der mit Bezug auf Stimmen wie der von Schirrmache, so leicht bei Seite gewischt wird.
Interessant: Auch Schirrmacher will an die Internetbildung ran.
„Meine Forderung: das Internet ernst nehmen heisst unsere Schulen, Universitäten, Arbeitsplätze, aber auch die Medizin fundamental zu ergänzen.“
Allerdings glaubt er wohl, die Entwicklung „aufhalten“ zu können und zu müssen.
Quelle: http://s.50hz.de/5j