Vier Menschen sind tot. Gestorben in der Kleinstadt Hude zwischen Oldenburg und Bremen. Vermutlich eines gewaltsamen Todes. Auf welche Weise und warum ist weitgehend unklar. Die Umstände legen jedoch nahe, dass es sich um eine innerfamiläre Tat handelt. So weit, so traurig.
Über den Fall ließe sich knapp und sachlich berichten. Aber das ergäbe weder eine Titelgeschichte noch wäre es Anlass für ein „Spezial“ im Internet, mindestens 4 „Bildstrecken“ mit bis zu 23 weitgehend aussagelosen Fotos und einen länglichen Beitrag auf NWZ TV.
Also besinnt man sich bei unserer Nordwest-Zeitung auf seine boulevardesken Fähigkeiten und spekuliert – vermutlich nach investigativerpenetranter Befragung von Nachbarn und Einsatzkräften – munter ins Blaue. Und damit das ganze ordentlich nach Qualm riecht, titelt man mit dem Wörtchen ausgelöscht.
Doch damit nicht genug. Natürlich müssen auch Bilder von Menschen her. Auf dem Titel der NWZ finden sich derer drei, deren Bildunterschriften nichts Gutes verheißen. Ich übersetze mal frei ins Deutsche: „Privat“ steht vermutlich für „der Nachbarin abgeschwatzt“ und „Internet“ heißt „aus dem schülerVZ oder Facebook-Profil entwendet“. Beim dritten Foto steht „Archiv“. Im Beitrag von NWZ TV wird das gleiche Bild mit der Quelle „NWZ Inside“ untertitelt. Damit hat der Verlag hier zumindest mal die Nutzungsrechte.
Doch warum überhaupt Bilder der Toten? Warum überhaupt Spekulation? Warum überhaupt eine Titelgeschichte? Gibt es irgendein öffentliches Interesse über die reinen Fakten hinaus, so lange nicht klar, ob dritte beteiligt sind?
Nein! Gibt es nicht. Es gibt nur das Interesse, mit dem Schicksal von Menschen Auflage zu machen. Und offenbar keine Skrupel, das Leid unmittelbar Betroffener hintan zu stellen.
Liebe Leute bei der NWZ. Ich bin bekanntlich wirklich gutwillig mit Euch. Aber mit Grenzüberschreitungen dieser Art verbraucht ihr eine Menge Kredit. Ich finde sogenannten Journalismus dieser Art nämlich einfach zum Kotzen.
diese geschichte zeigt, wir erleben gerade einen paradigmenwechsel. offenbar verabschiedet sich die nwz nun auch offen und ohne scham von dem image des publizistischen grundversorgers einer region – tragisch deshalb, weil wir hier im weser-ems-gebiet diese form der presse-monokultur haben. wer auf lokale berichterstattung angewiesen ist, kommt an der nwz nicht vorbei.
als die taz vor einigen wochen die marktpolitik der nwz seziert hat – http://um.is/n -, hattest du noch eine lanze für unser blatt gebrochen. doch nun zeigt sich schon nach wenigen wochen, das die taz eine sehr präzise zustandsbeschreibung vorgenommen hat. das beruhigt mich nicht, ich bin auch eingermaßen ratlos, was man als leser/in machen kann. zumindest sollten wir die möglichkeiten des web 2.0 nutzen, publizistische gegenentwürfe zu wagen. auch wenn die chancen zunächst gering ist und die nwz sich arrogant und unbewegt wie der baum zeigen dürfte, an dem das schwein sich kratzt – wir sollten unser öffentliches leben nicht diesem moloch überlassen. wege wie das varel-blog sind da weiter auszubauen.
Danke für diesen Beitrag! Ich hatte beim Lesen dieselben Gedanken und freue mich, dass ich damit nicht allein bin. Ich finde es schlicht widerlich, wie sich die NWZ hier ihrer Sensationslust hingibt. Die NWZ-Mitarbeiter sind bestimmt auch die, die Rettungsarbeiten bei Unfällen wegen Gafferei blockieren. Pfui!