Schwul zu sein, ist nach wie vor nicht so ganz einfach. Offene Schwulenfeindlichkeit gilt abseits radikaler Kreise zwar als politisch unkorrekt, aber unter einer dünnen Schicht öffentlicher Zurückhaltung brodelt eine ungute Mischung aus irritierendem Unwissen, Abneigung und Angst. Besonders für Heranwachsende alles andere als ein Klima, in dem sich sexuelle Orientierung und Sexualität frei entwickeln können.
Die Ressentiments gegenüber Schwulen rühren nicht zuletzt daher, dass Schwule im Alltag kaum eine Rolle spielen. Klar: In der Politik gibt es Guido Westerwelle und Klaus Wowereit. Im Fernsehen Dirk Bach und Hape Kerkeling. Aber sie sind prominente, oft ein wenig clowneske und vor allem nicht mehr ganz junge Ausnahmen. Vorbilder für 15jährige: Fehlanzeige. Ganz zu schweigen vom Profi-Fußball.
Der Ausweg aus dieser Situation wäre – vielleicht – ein vielfaches öffentliches Bekenntnis zweifelsohne existenter prominenter schwuler Köpfe aus Politik, TV, Schauspiel, Fußball… Doch ist dieser Ausweg gleichzeitig ein Dilemma. Die angesprochenen Männer fragen zu recht, warum sie ihre sexuelle Orientierung zu einem öffentlichen Thema machen sollen. Heterosexuelle Männer reden ja auch nicht darüber, dass sie auf Frauen stehen. Wenn es doch – offiziell – als „normal“ gilt, schwul zu sein, warum sollte man diese „Normalität“ thematisieren?
Die Antwort ist so einfach wie bitter: Schwul zu sein ist für weite Kreise eben nicht „normal“. Und wer, wenn nicht prominente Schwule könnten diese Haltung zu Recht rücken?
Der DWDL-Autor Thomas Lückerath hat in dieser Woche zu dieser Frage einen großartigen Artikel veröffentlicht, dessen Lektüre ich hier unbedingt empfehlen möchte. Lückerath wird kritisch und ebenfalls lesenwert sekundiert von Stefan Niggemeier.
Wie Prominente und nicht Prominente in den USA mit dem Thema bzw. einem Aspekt des Themas umgehen, zeigt das Projekt It gets better, das hier – ebenfalls von Niggemeier – beschrieben wird.
Als Apple-Fanboy ;) muss ich natürlich das It gets better Video der Apple Employees verlinken. Darunter noch das Video von Joel Burns, Abgeordneter in Fort Worth, der seine Zeit für eine persönliche Erklärung in seinem Stadtrat nutzt, seine Geschichte zu erzählen (via Niggemeier).
Ach übrigens: Ich bin total heterosexuell. Und ich gebe offen zu, dass ich nicht frei bin von dieser faszinierten Irritation für „schwule Geschichten“, die es der Boulevard-Presse so leicht macht, uns einzufangen. Genauso wie in mir einer kleiner Sexist schlummert. Ich bin ein Kind dieser (Medien-)Welt. Was hilft es?
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