Die Nordwest-Zeitung titelte gestern „Grüne fürchten Piraten nicht„. Gut so. Angst ist ein schlechter Ratgeber. Im übrigen war ich auch schon vor Lektüre des Textes überzeugt, dass wir niedersächsischen Grünen uns vor allem vor uns selbst erschrecken sollten.
Zu netzpolitischen Fragen sucht man bei uns überwiegend vergebens nach Antworten. Viel dramatischer ist jedoch, dass unserem Spitzenpersonal und weiten Teilen der Mitgliederschaft die Kompetenz fehlt, in die Lebenswelt durch das Internet geprägter Wählergruppen vorzudringen. Ein Schicksal, das wir mit anderen etablierten Parteien teilen, das uns jedoch umso mehr trifft, als junge Wähler die Basis unseres künftigen immer größeren Erfolges darstellten.
Die von der Landesvorsitzenden Anja Piel ausgegebene Parole „Weiter wie gehabt!“ wäre wohl der Anfang vom Ende des Traums von mehr Grün im niedersächsischen Landtag.
Es wird nicht genügen, dass wir inhaltlich gut aufgestellt sind. Inhalte sind nicht die Basis für den Erfolg der Piraten. Es ist vielmehr ihre Kompetenz, Politik als Prozess zu begreifen, an dem alle beteiligt sind. Eine Kompetenz, die die Grünen unter dem Schlagwort Basisdemokratie übrigens einmal für sich beanspruchten, die aber mangels geeigneter Betriebssyteme mittlerweile der Effizienz geopfert wurde.
Die inhaltlichen Leerstellen der Piraten werden sie deswegen auch nicht entzaubern, wie der Landesvorsitzende Jan Haude in der NWZ hoffnungsvoll äußert.
Wir Grünen brauchen einen dramatischen Sinneswandel. Wir müssen auf breiter Front endlich akzeptieren, dass das Internet nicht nur irgendein neues Kommunikationsmittel für politische Botschaften ist, sondern dass es gesellschaftliche Strukturen komplett durcheinander wirbelt, lieb gewonnene Gewissheiten in Frage stellt und unsere Parteiendemokratie ernsthaft herausfordert.
Das wird nur gelingen, wenn wir uns intensiv befassen und einlassen. Wir brauchen eigene Erfahrungen, die über das Einstellen von Pressmitteilungen auf Facebook und Twitter sehr weit hinausgehen. Wir müssen viel lesen und lernen.
Zum Auftakt empfehle ich die Lektüre zweier Texte (1, 2) von meinem Freund und Hamburger Grünen Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach inklusive der von ihm dort verlinkten Beiträge, insbesondere den von Nessy und der piratenverliebten Grünen Nina Galla.
Nachtrag: Der Landesverband lässt sich ein Stück weit auf die Diskussion ein. Hier bei Facebook.
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