Die Jammer-Phase haben wir offenbar hinter uns gelassen. Snapchat ist im Februar auf den Smartphones der Social//PR-Szene angekommen. Und wird benutzt. Wunderbar. Bloggen wirkt. Doch statt dessen beginnt jetzt das Schaulaufen:
„Wie viele Leute schauen denn Deine Snaps an? Ich bin bei…“* „Wie schnell wächst Dein Snapscore? Meiner ist…“** „Wie bekomme ich mein Corporate Duckface im besten Licht in den Snapcode montiert? Kann mal jemand den Beleuchter anrufen?“***
Und dann wäre ist da doch wieder die überraschende Erkenntnis, dass der Content ja überwiegend recht beliebig und langweilig sei.
Wilde Thesen zu Snapchat
Die langsam ergrauende erste Generation von Social Media Expertinnen versucht, Snapchat zu verstehen, indem sie es in bekannte Kategorien sortiert. Keine gute Idee. Daher mal ganz auf die Schnelle ein paar wilde Thesen.
- Snapchat ist und bleibt im Kern eine Chat-App, die sich mit ihrer eigenwilligen UX und der Flüchtigkeit der Inhalte neben WhatsApp und Messenger besonders bei jungen Zielgruppen weiter etablieren wird.
- Die Snapchat-Stories taugen vor allem, um sich in der Peergroup zur beliebtesten Äffin zu machen. Zielgruppe sind die besten Freundinnen, die Familie, der Schulhof, die Fans.
- Stories sind außerdem eine wunderbare Plattform für Celebrities, die mit dem Format umzugehen verstehen. Für den Aufbau einer relevanten Audience brauchen aber auch sie (vorerst noch) andere Kanäle, auf denen sie bereits Reichweite haben.
- Marken wird es kaum gelingen, sich zwischen den Stories der Peers und der Stars bemerkbar zu machen. Es sei denn, sie haben eine wirklich spannende und nachhaltige Geschichte zu erzählen. Aber welche Marke kann das schon außer vielleicht FC Bayern.
- Die Snaps in den Stories für die Peergroup sind der Steinbruch für Live-Stories, mit denen Snapchat erfolgreich zeigt, wie man mit User Generated Content – ihr erinnert Euch: damals(TM) – richtig gute Geschichten erzählen kann.
- Discover ist die Spielwiese für die Newsformate von morgen.
- Snapchat füttert die Branche anders als Facebook gar nicht erst mit Organischer Reichweite an, sondern führt sie direkt an die Ladentheke. Im Angebot: Branded Lenses, individualisierte Geofilter, gesponserte Live-Events, hin und wieder auch mal wieder platte Displaywerbung.
- Marken haben ohne Media-Budget keine Chance. Ohne Celebrities oder Snapchats Baukasten dringen die nicht durch.
Fazit: Hört auf an Eurer eigenen Geschichte auf Snapchat zu bauen. Sucht nicht weiter nach spannendem Content in den Stories. Er ist nicht für Euch gemacht. Ausnahme: Stories aus den USA, aktuell zum Beispiel Lina Timm und Daniel Fiene. Stattdessen: Schaut Live-Stories. Versteht, wie sie entstehen und wie sie sich nutzen lassen. Verfolgt die Experimente der Medienmarken in Discover.
Wer künftig auf Snapchat erfolgreich unterwegs sein will, denkt am besten jetzt darüber nach, wo er die Budget dafür herbekommt. Und wie diese Budgets optimal eingesetzt werden können. Ich sehe eine große Zukunft für interdisziplinäre Teams aus Kreativen, Storytellern, Eventmanagern und Relations-Menschen.
Ach übrigens: Folgt mir auf Snapchat. ;)
* Meine Snaps schauen derzeit knapp über 40 Menschen. Toll, oder?
** Der Snapscore meiner Frau @51hz ist trotz viel kleinerer Audience fast so hoch wie meiner. Hintergrund: Einer ihrer treuen Follower snapt mit einem Score von 25.000. Frechheit.
*** Ich habe so tolle Portraits machen lassen im letzten Herbst. Aber Snapchat lässt sie mich allenfalls abfotografieren. Damn.
Danke für die Infos zu Snapchat! Irgendwann…
Zu den Portraits: Irgendwie haben wir es in der Galerie von Android mal geschafft, ein extern geschossenes Foto mit Snapchat „zu teilen“…
Ich stimme dir fast komplett zu. :-) Ein Aspekt fehlt mir: Snapchat ist super, um mit affinen Kunden und Netzwerkpartnern im Gespräch zu bleiben und Beziehungen zu pflegen. Ansonsten unterschreibe ich die Thesen und habe einige schon selbst formuliert.
@weltenkreuzer: Das geht in Chats. In Stories eigentlich nicht. Außer mit Drittanbietern, die allerdings gegen die AGB verstoßen. In den Snapcode bekommst Du es nicht rein derzeit.
@Christian: Volle Zustimmung. Da funktioniert es super.
Ah, doof das. Habe mich auch nur dunkel erinnert…
Super knackige Zusammenfassung, danke! Was bei Snapchat für Brands aber einfach noch fehlt und die Beschaffung entsprechender Budgets daher erschwert, sind valide Kriterien für die Erfolgsmessung, die über bloße Views und Reichweite hinausgehen. Meine ergänzende These: Branded Content an sich ist zwar super, aber solange es keine Insights zu den Leuten gibt, die sich die Stories reinziehen, werden sich vor allem Unternehmen, die kein sechsstelliges Budget zum lustig Rumexperimentieren haben, da doch eher erstmal zurückhalten.
Ich glaube, ich habe Dir noch nie so massiv widersprochen, wie es jetzt tu.
Die Stories, die ich auf Snapchat sehe, stammen weitestgehend von Influencern und sind für mich (und GLOSSYBOX) ein eminent wichtiger Lead. Die Damen erzählen sehr viel, sehr unverkrampft, so dass ich viele Anknüpfungspunkte für meine Arbeit bekomme.
Davon abgesehen: Ich verstehe nicht ganz, was Du eigentlich zu sagen versucht. „Hört auf an Eurer eigenen Geschichte auf Snapchat zu bauen.“ Ehrlich? Als facebook erschien, war es ein Tool für Studenten. Jetzt ist die ganze Welt dabei. Nicht anders wird es Snapchat ergehen – wenn es sich denn bewährt. Es wird älter werden. Und somit wird jeder Kommunikator schauen müssen, wo er bleibt. Wenn er nicht imstande ist, eine Story für Snapchat aufbereiten bzw. Snapchat zu verstehen, wie soll er dann damit arbeiten?
Und überhaupt: Was stört Dich? Irgendwie nehme ich eine Anti-Haltung wahr, deren Herleitung sich mir nicht erschließt. Wer sagt denn eigentlich, dass man auf Snapchat ganz anders sein muss? Gott hab uns die 10 Gebote – aber kein Regelwerk für Snapchat. :-)
@Felix: Ich bin mir recht sicher, dass Snapchat Dir ziemlich spannende Insights liefert, wenn Du mit dem passenden Budget bei Ihnen vorbei kommst. ;)
Etwas ketzerisch: Ich würde deine Positionierung als Snapchat-Experte glaubwürdiger finden, wenn du nicht jede Empfehlung mit „ihr macht das falsch“, „ihr stellt die falschen Fragen“ oder ähnlicher Kritik beginnen würdest…
Im Übrigen wünsche ich mir etwas mehr Bienen-Content.
@Sachar: Ich sehe gar nicht soviel Widerspruch.
Das Thema „Listening“, dass Du mit Deinem ersten Punkt ansprichst, habe ich in der Tat vernachlässigt. Wenn ich appelliere, den Blick von den Stories auf den Bereich Live zu lenken, spitze ich ohne Frage zu. Natürlich können Marken viel lernen, wenn sie sich den Peer Groups ihrer relevanten Influencerinnen anschließen. In sofern: Danke für die Ergänzung.
Wenn Du mit den Influencerinnen auf Snapchat arbeiten möchtest, sehe ich allerdings mehrere Herausforderungen: Ansprache, Skalierung und Messbarkeit. Ich glaube nicht, dass Du Glossybox als Absender für Stories etablieren kannst. Für die Ansprache brauchst Du also andere Wege. Die Peergroups der meisten Influencerinnen dürften zudem überwiegend überschaubaren Umfang haben. Das heißt Du musst Dich auf „Stars“ konzentrieren. Und Zugang zu Daten bekommst Du (These) nur, wenn Du mit Snapchat Geschäfte machst.
Beim zweiten Punkt sehe ich bei uns beiden noch Bedarf für Präzisierung. Sicher schadet es nicht, wenn wir uns mit den Kernfunktionen Chat und Stories beschäftigen. Das mache ich doch auch. Und auch ich suche nach Aufmerksamkeit in der Szene. Aber mal ehrlich. Außer anekdotischer Reputation werden wir dort nicht viel gewinnen. Snapchat wird (These) nicht in dem Sinne alt werden, dass unsere Generation sich dort in Massen tummelt.
Echten Klärungsbedarf sehe ich noch bei Deinem Vergleich mit Facebook. Die wesentliche Veränderung vom frühen Facebook zu heute ist doch nicht, dass die Nutzerinnen älter geworden sind. Wesentlich ist der Wandel von einem Netzwerk von Menschen – das es ja immer noch gibt – zu einer Plattform für News und Marken. Diese Plattform war zunächst vor allen organisch getrieben und wird nun wirtschaftlich verwertet. Das läuft bei Snapchat anders. Organische Reichweite wird es in relevantem Umfang nicht geben. Der Kernbereich – Chat uns Stories – bleibt (These) ökonomisch relativ unangetastet. Dafür entsteht ökonomisch verwertbarer Content (Live) in enger Verbindung mit den Nutzerinnen.
Beim Thema Antihaltung habe ich doch von Dir gelernt Sachar. Die ist genauso kalkuliert, wie Dein „Ich verstehe Snapchat nicht“. Funktioniert super. Eine Diskussion unter einem Blogartikel. Wann hatten wir das zuletzt? ;) Der mit den 10 Geboten – nee 5 – war ein anderer: https://goo.gl/g3AC4Q
@Sebastian: Eine Positionierung als Experte für irgendetwas außer für Blogger Relations liegt mir fern. Ich bin nur etwas amüsiert über den Hype Cycle.
Mehr Bienen-Content – sowohl hier im Blog als auch auf Snapchat – wünsche ich mir auch. Blöd nur, dass meine Ungeschicklichkeit im Umgang mit Kameras in Anwesenheit von tausenden Insekten kaum nachlässt.
@Djure: Ist dann aber wieder so ein Henne vs. Ei-Problem. ;) Ist Deine Aussage zu den Insights denn eine These oder hast Du ne sichere Quelle?
@Felix Nur eine These. Aber ein sicheres Gefühl. Die werden Samsung schon gesagt haben, wie oft deren Linse genutzt wurde. Oder Netflix, wie oft der Geofilter vom Valentinstag eingesetzt und dann gesehen wurde.
Das mit den Insights ist übrigens tatsächlich so, Snapchat bietet sehr viele und sehr tiefe Analysen an, wenn du da etwas buchst. Geht jetzt ja auch in Europa langsam los damit.