In unserer kleinen Nachbargemeinde Jade diskutiert man derzeit heftig über den Neubau eines Rathauses. Streitpunkt ist vornehmlich der Ort für den Verwaltungsbau. Am bisherigen Standort im kleinen Jade oder im Siedlungsschwerpunkt Jaderberg.
Doch vielleicht sollte man einmal grundsätzlich auch über das ob eines Neubaus nachdenken. Nicht, weil der alte Bau noch zu retten sei, sondern eher weil die Tage einer Gemeinde wie Jade vielleicht ohnehin gezählt sind.
Dazu veröffentliche ich hier einen Kommentar meines Vaters Hans Meinen als Gastbeitrag.
(Nebenbei: Jade und Varel sind nicht wirklich vergleichbar. Dennoch glaube ich, dass es auch hier nicht schaden könnte, über den Zusammenschluss mit den Nachbarn nachzudenken. Zetel, Bockhorn und Varel in der Gemeinde Friesische Wehde zusammenzuführen, sollte ohne größere Schmerzen möglich sein.)
Nach der Lektüre des Artikels Rathauskritiker hoffen auf Kommunalaufsicht (weiterer Bericht), aber vor allen nach einem Gespräch mit einem Mitglied des aktuellen Gemeinderates der Gemeinde Jade, komme ich zu einem ganz anderen Urteil:
Die Gemeinde Jade benötigt keine Diskussion über den Standort eines neuen Rathauses, die Gemeinde Jade benötigt überhaupt kein Rathaus.
Die Gemeinde schleppt ein strukturelles Defizit in einer Größenordnung von fast 1.2 Millionen Euro mit sich herum. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, die in erster Linie durch Gesetze und Verordnungen von Bund und Land gesetzt sind, hat die Gemeinde Jade – wie andere Kommunen auch – eine Haushaltsstruktur, die dieses Defizit auf Dauer bestehen lässt, egal wie groß die Sparanstrengungen des Gemeinderates auch sind.
Um es noch deutlicher zu sagen: Die Grundlage unserer Demokratie, die kommunale Selbstverwaltung auf der Ebene der Städte und Gemeinden, ist bis auf wenige Ausnahmen abgeschafft. Der Gemeinderat hat damit faktisch auch keine Aufgaben mehr, denn mehr als 90% der Ausgaben der Kommune sind fremdbestimmt durch Bund und Land. Kommunalpolitiker haben diese Entwicklung zwar nicht verschuldet, aber sie andererseits auch fast widerstandslos hingenommen.
Der Jader Rat ist ein beredtes Beispiel dafür: Die eigentlichen Entscheidungen, die gestaltend in der Gemeinde in den letzten Jahren gewirkt haben, stammen nicht von ihm, sondern von aktiven Bürgerinnen und Bürgern, die z.B. in der AGENDA-Gruppe arbeiten. Die Radwegebeschilderung und der Anleger in Wapelersiel, der die Jade für einen umweltverträglichen Tourismus erschlossen hat, sind Beispiele dafür. Menschen wie Paul Wehlage, Bert Diekmann und Dieter Bloem sei an dieser Stelle der ihnen gebührende Dank ausgesprochen.
Was ist zu tun? – Die Entwicklungen der letzten 30 Jahre sind zur Kenntnis zu nehmen. Und ein Ergebnis dieser Entwicklung scheint zu sein, dass Kommunen in der Größenordnung der Gemeinde Jade als selbständige Kommunen nicht überlebensfähig sind und den Aufgaben zur Daseinsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger nicht mehr nachkommen können. Der Zustand der Straßen und Wirtschaftswege in der Gemeinde sind ein täglich „fühlbares“ Beispiel dafür.
Ein Zusammenschluss von mehreren Gemeinden in unserer Regionen zu größeren, hoffentlich dann wieder handlungsfähigen Einheiten, ist die Richtung, in die sich Kommunalpolitik bewegen muss. In der Kommune, die ich mir vorstelle könnte der geographische Mittelpunkt z.B. Seefeld sein. Eine große Kommune aus Butjadingen, Stadland, Jade und Nordenham könnte im Personalkostenbereich und anderer Stelle große Einsparpotentiale freisetzen und dann Finanzmittel freimachen für die Gestaltung der Zukunft. Darüber hinaus sind aber auch radikale Korrekturen beim Bund und den Ländern zur Finanzausstattung der Städte und Gemeinden notwendig.
Dass ich mit meinen Überlegungen nicht allein stehe macht die Aussage meines Gesprächspartners aus dem Gemeinderat deutlich: „Mein geographischer Mittelpunkt ist nicht Seefeld sondern Brake. Und wir benötigen nur noch einen Bürgermeister und der heißt Landrat!“
Autor: Hans Meinen
Es mutet schon ein wenig eigenartig an, seinen eigenen Text zu kommentieren, aber in dieser Ausnahmesituation mag das erlaubt sein.
Offensichtlich war der obige Text der berühmte Stich ins Wespennest, denn mich erreichen Anrufe von Menschen aus der Gemeinde Jade, von denen ich bisher weder wusste, geschweige denn dass ich sie kannte.
Der folgende Satz eines alten Einwohners der Gemeinde mag deutlich machen, in welche Richtung die Äußerungen gehen: „Das, was du geschrieben hast, ist genau richtig. Ich wohne hier in einer Gegend, wo die Autobahn durchgehen soll. Wir haben dann vielleicht eine Autobahn, aber hinfahren können wir nicht. So schlecht sind unsere Straßen.
Die sollten sich im Rat mal darum kümmern und sie hätten von Anfang an gegen die Autobahn stimmen sollen.
Wenn sie nicht einmal das können, sollen sie sich auflösen. In einer größeren Gemeinde geht das vielleicht besser.“
Ob das in einer größeren Gemeinde besser geht? Da habe ich so meine Zweifel, aber die Menschen hätten dann in der größeren Gemeinde zumindest die Chance, sich einen Gemeinderat anderen zu wählen.
Es gibt zu tun!!