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Der erst kürzlich in Dienst gestellte Pressesprecher des Landkreises Friesland Sönke Klug hat gerade seine wohl erste größere Kommunikationskrise zu meistern. In die Bedrullje gebracht hat ihn ein weißer Hirsch.

Das seltene Tier streift offenbar schon seit Jahren vor allem im Landkreis Wittmund umher. In der letzten Woche hat es dann einen Ausflug ins Jeverland gewagt. Zur großen Freude zahlreicher Spaziergänger und der regionalen Presse, für die ein Leserfoto als lokaler Aufmacher nur willkommen war.

Als das Foto in der Zeitung erschien, war der weiße Hirsch jedoch schon tot. Erlegt von einem Jäger und wohl nach Absprache mit der Polizei. Begründung: Das Tier hätte zur Gefahr für den Straßenverkehr werden können.

Auch nach längerem Abwägen erscheint diese Begründung reichlich konstruiert. Denn danach wäre im Grunde jeder (brünftige) Hirsch zu töten, sobald er in der Nähe von Straßen auftaucht. Freilebende Hirsche gäbe es in unserer Region dann wohl keine mehr.

Wie schwer es gewesen sein muss, den Abschuss dennoch zu rechtfertigen, erkennt man allein schon daran, dass der Landkreis ganze vier Tage brauchte, um das Vorgehen per Pressemitteilung zu erläutern und damit zu versuchen, die Wogen zu glätten.

Ein vermutlich ohnehin aussichtsloses Unterfangen. Der zeitliche Ablauf (schöner weißer Hirsch auf Titelseite – toter weißer Hirsch auf Titelseite – vorübergehende Sprachlosigkeit seitens der Behörden) mündet zwangsläufig in einer hoch emotionalen Stimmung, die kaum einzufangen ist.

Mit dem Pressetext des Landkreises würde jedoch alles nur noch schlimmer. Wie so oft bei Behörden, wird mit den kalten Zwängen der Sachlage argumentiert. Außerdem ist man – selbtsverständlich – formal im Recht. Wenn dann noch wie hier der Eindruck entsteht, dass die (angeblich) sorgfältige Abwägung nicht so ganz zum schnellen Handeln passt, sind weitere noch wütendere Leserbriefe (1, 2, 3, 4, 5…) die erwartbare Konsequenz.

Inzwischen schlagen Landkreis und Polizei andere Töne an. In einer weiteren Pressemitteilung gesteht man ein, wohl doch voreilig gehandelt zu haben, entschuldigt sich und gelobt aus den Fehlern zu lernen. Künftig will man anders verfahren.

Eine lobenswerte Einsicht, für den Ruf der Behörden kommt das allerdings zu spät. Übrigens auch für den Ruf der Jägerschaft, aus der nur leise Kritik und auch keine Unterstützung am/für den involvierten Kollegen zu hören ist.

Ich bin zuversichtlich, dass nicht nur die Entscheider beim Kreis und die Polizei sondern auch Sönke Klug als Kommunikator seine Lehren zieht und künftig für mehr Mut zum öffentlichen Eingestehen von Fehlern einstehen wird.

Zu hoffen bleibt, dass auch die Jägerschaft den Fall aufarbeitet. Der Ruf vom „schießwütigen Gesellen“ hatte sich nach meinem Eindruck in den letzten Jahren deutlich verbessert.

Das ist gut so, denn wir brauchen die Jägerschaft durchaus. Doch leider gibt es nach wie vor immer noch Jagdbrüder, bei denen der Finger am Abzug wichtiger ist als Hege und Pflege. Warum zum Beispiel regelmäßig Rabenvögel in großer Zahl auf der Streckenliste stehen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Oder werden deren Flügel wie in Litauen neuerdings auch hier frittiert verspeist?

Nachtrag: Der Hirsch ist übrigens heute regionales Topthema.

Nachtrag II: Die Jägerschaft ist inzwischen um Schadensbegrenzung bemüht und distanziert sich deutlich vom Vorgehen von Polizei, Kreis und Schützen. Im Kreis Wittmund geht man sogar so weit, die Motive für die Abschuss in der Kategorie Trophäenjagd anzusiedeln.
Quelle: NWZ